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: Die Machtübergabe im Irak lässt wenig Raum für Hoffnung

George Bush und Ajad Allawi, sein neuer „souveräner“ Amtskollege in Bagdad, haben sich für die Machtübergabe im Irak in der Tat ein „historisches“ Datum ausgesucht: Am 28. Juni 1914 wurde mit dem Attentat von Sarajevo auf Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau der Erste Weltkrieg ausgelöst. Am selben Tag fünf Jahre später wurde dieser Krieg mit dem Versailler Vertrag zwar besiegelt, zugleich aber die Saat für künftige Konflikte gelegt. Und das Trauma der serbischen Niederlage auf dem Amselfeld am 28. Juni 1389 blockiert bis heute eine dauerhafte Friedenslösung in Südosteuropa.

Der 28. Juni ist fast so negativ vorbelastet wie der 9. November – dem Tag der Reichspogromnacht in Deutschland (1938) und des Hitlerputsches (1923). Diese beiden Daten werden inzwischen allerdings – nicht nur im Bewusstsein vieler Deutscher – positiv überstrahlt vom 9. November 1989, dem Tag des Falls der Berliner Mauer.

Werden die IrakerInnen in einigen Jahren ähnlich positive Erinnerungen an den 28. Juni 2004 haben können? Es wäre ihnen sehr zu wünschen. Doch Vorgeschichte und Rahmenbedingungen der gestrigen Machtübergabe lassen leider nur wenig Raum für diese Hoffnung.

Denn einerseits ist die nunmehr behauptete „Souveränität“ Iraks ein schlechter Witz, solange die bisherigen Besatzungstruppen im Land stationiert bleiben und die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes wesentlich durch vom bisherigen Besatzungschef Paul Bremer formulierte Dekrete bestimmt wird. Unter diesen Bedingungen kann eine irakische Regierung – selbst wenn sie aus noch so kompetenten und integren Personen zusammengesetzt wäre – nicht die Glaubwürdigkeit und den Rückhalt in der Bevölkerung erhalten, die notwendig sind, um das Land zu befrieden und wieder aufzubauen.

Andererseits waren auch die Kritiker des Irakkrieges – wie die Regierungen in Paris, Berlin und Moskau – in den letzten Monaten nicht bereit, im UNO-Sicherheitsrat eine grundsätzliche Alternative zu dem jetzt vollzogenen Szenario vorzuschlagen und für die Umsetzung dieser Alternative im Rahmen einer UNO-Mission auch eigene Zivilkräfte, Polizisten und Soldaten anzubieten. Insofern sichern der gestrige „historische Tag“ und seine Inszenierung auf dem Istanbuler Nato-Gipfel George Bush im besten – beziehungsweise schlechtesten – Fall vielleicht noch den Wahlsieg im November.

ANDREAS ZUMACH