2 Euro pro Stunde, wenn man Glück hat

Die Bundesregierung will ein Viertel der Langzeitarbeitslosen „aktivieren“ – viele durch 1-bis-2-Euro-Jobs. Doch selbst dafür reicht das Geld nicht. Denn viele der Arbeitslosen, die nun als arbeitsfähig deklariert sind, brauchen aufwändige Betreuung

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Die Bundesagentur für Arbeit ist nicht damit zufrieden, wie über das Großprojekt „Hartz IV“ debattiert wird, das Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegt. Immerzu würde in der Öffentlichkeit nur über die Leistungskürzungen geredet – aber nicht über die geplanten Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose. „Das fehlt in der Diskussion“, moniert Agenturvorstand Heinrich Alt und lud gestern zum Pressegespräch, um aufzuklären.

2005 wird es etwa 3,2 Millionen Langzeitarbeitslose geben. Für sie plant das Wirtschaftsministerium ungefähr 750.000 „Maßnahmeangebote“. Das können ABM-Stellen sein, Eingliederungszuschüsse, Weiterbildungskurse oder auch 1-bis-2-Euro-Jobs bei Kommunen.

Doch diese Vielfalt der Maßnahmen wird real vor allem auf die billigen Optionen hinauslaufen – etwa auf „öffentliche Arbeitsgelegenheiten nach dem Mehraufwandsmodell“, wie der 1-bis-2-Euro-Job im Amtsdeutsch heißt. Denn sonst würde das Geld gar nicht reichen für all die Arbeitslosen, die „aktiviert“ werden sollen. Tarifliche Bezahlung muss eine Ausnahme bleiben, wenn jährlich nur 8.000 Euro pro „Fall“ zur Verfügung stehen.

Einsatzgebiete für die Billigkräfte gibt es genug, findet Heinrich Alt: In Deutschland fehlt es bekanntlich an der Kinderbetreuung – gleichzeitig sind etwa 25.000 Erzieherinnen arbeitslos. Warum also sollte man sie nicht für 1 oder 2 Euro in städtischen Kindergärten beschäftigen? Bei den Akademikern wiederum werden 250.000 Arbeitslose gezählt. Alt schlug gestern vor, dass man doch einige von ihnen als Lehrkräfte einstellen könnte, damit es endlich mehr Ganztagsschulen gibt.

Alt kann nicht finden, dass der Prämienjob ein schlechtes Geschäft für die Langzeitarbeitslosen ist. Bei einer Vollzeitstelle kämen sie auf über 1.000 Euro netto – „davon würde eine Friseurin doch träumen“.

Die Rechnung: Ein 2-Euro-Jobber würde weiter 345 Euro an Arbeitslosengeld II bekommen. Außerdem würden ihm Wohnung und Heizkosten bezahlt, was durchschnittlich etwa 379 Euro ausmacht. Schließlich würde er noch 340 Euro hinzuverdienen. Bei einer ersten Ausschreibung in Hamburg hätten sich auf 400 Stellen etwa 1.000 Bewerber gemeldet.

Die Gewerkschaften haben für dieses Lockangebot ein anderes Wort: „Lohndumping“. Für den Staat ist es wie für jeden Arbeitgeber erfreulich, wenn er Fachkräfte zum Billigtarif einstellen darf. Dann braucht man sich über reguläre Stellen keine Gedanken mehr zu machen.

Wie viele Billigjobs es 2005 tatsächlich geben wird, ist allerdings noch vollkommen unklar – zumal sich auch über den aktuellen Bestand nichts Genaues sagen lässt. Schon bisher war es den Kommunen möglich, für ihre Sozialhilfeempfänger Beschäftigungsprojekte zu schaffen. Etwa 400.000 solcher Stellen soll es momentan geben, wie der Städtetag in einer ganz neuen Erhebung herausgefunden haben will. „Das ist nirgends belegt und nur eine grobe Schätzung“, kontert das Wirtschaftsministerium, das von 200.000 kommunalen Stellen ausgeht.

Doch selbst wenn man häufig auf billige Förderangebote zurückgreift, dürfte das Geld nicht reichen, um wie geplant wenigstens ein Viertel der Langzeitarbeitslosen mit einer Maßnahme zu versehen. Das hat mit der neuen Definition von „erwerbsfähig“ zu tun: Dazu zählt jetzt jeder, der mehr als drei Stunden täglich arbeiten kann. Das gilt auch für sehr viele Schwerbehinderte. Doch um sie zu integrieren, sind weit mehr als 8.000 Euro pro „Fall“ nötig. Manfred Wienand vom Städtetag: „Der Eingliederungstopf ist einfach zu gering bemessen.“