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: Huch! Das trifft ja uns!

Politische Vorhaben haben mindestens zwei Dimensionen: eine sachliche, pragmatische. Und eine psychologische, die Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen hat. Es ist diese psychologische Dimension der Hartz-Gesetze zum Arbeitslosengeld II, die in den Vordergrund der öffentlichen Debatte gerät: der Angriff auf das Selbstwertgefühl der Erwerbslosen, weil diese in den Anträgen auf das Arbeitslosengeld II „ihre Hosen runterlassen müssen“.

KOMMENTAR VON BARBARA DRIBBUSCH

In den Antragsformularen wird nach „Edelmetallen, Antiquitäten, Gemälden“ gefragt, die man besitzen könnte. Auch Modell und Alter des Autos, das etwa die Partnerin fährt, müssen in den Formularen vermerkt werden. Nicht zu vergessen die Auskunft, ob man Brennstoffe „selbst beschafft“ und an die „zentrale Warmwasserversorgung“ angeschlossen ist.

Sozialhilfeempfänger müssen auch heute schon solche hochnotpeinlichen Befragungen über sich ergehen lassen. Nur: Das Arbeitslosengeld II betrifft eben künftig auch viele Joblose in den Mittelschichtmilieus. Auch deswegen schreien viele Kommentatoren in bürgerlich-liberalen Medien jetzt auf, obwohl sie vorher immer die „Reform“ eifrig herbeischrieben. Huch! Das betrifft ja uns! Genau. Denn auch Akademiker, die ihren Arbeitsplatz verlieren und vielleicht jenseits der 45 sind, sitzen automatisch auf der sozialen Rutschbahn nach unten.

Genau das ist die neue psychologische Dimension von Hartz IV, an die Rot-Grün sicher nicht gedacht hat: Jeder kann von heute auf morgen zum Almosenempfänger werden, der sich durch ausführliche Preisgabe von Informationen als der Sozialgabe „bedürftig“ erweisen muss. Hartz IV wird damit zum „doppelten Angriff“: Einmal werden Leistungen gekürzt, zum Zweiten aber folgt das Gefühl der Demütigung. Das können auch die an sich sachlichen Argumente der Behörden, man müsse Missbrauch eben vermeiden, nicht mildern.

Hartz IV ist eine Kränkung – und man kann sich jetzt schon lebhaft die Subkultur des Widerstands dagegen ausmalen. Erwerbsloseninitiativen geben Tipps, den Lebensgefährten rechtzeitig in getrennter Wohnung anzumelden oder das Vermögen bei der Schwester zu parken, wenn Joblosigkeit droht. Schützt euch vor dem Zugriff des Staates! Wenigstens unter diesem Motto ziehen künftig die Langzeitarbeitslosen mit jedem gut verdienenden Steuertrickser gleich. Welch Ironie.