Einzeltat eines Rechtsradikalen

Ein Rechter erstach drei Aussiedler vor einer Heidenheimer Discothek. Auch bei der gestrigen Eröffnung des Prozesses erklärte die Staatsanwaltschaft, Ausländerfeindlichkeit sei als Motiv „nicht nachweisbar“. Urteil voraussichtlich Freitag

ELLWANGEN ap/dpa ■ Vor dem Landgericht Ellwangen in Baden- Württemberg hat am Dienstag der Prozess gegen den Heidenheimer Messerstecher begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem zur Tatzeit 17-jährigen Schüler Leonhard S. vor, kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres drei 15, 16 und 17 Jahre alte Spätaussiedler vor einer Discothek in Heidenheim erstochen zu haben. Der junge Mann war erst wenige Monate zuvor aus Berlin nach Heidenheim gezogen.

Die Verhandlung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gericht will 29 Zeugen und 2 Sachverständige hören. Die Anklage legt Leonhard S. dreifachen Totschlag zur Last. Der Schüler hatte am 19. Dezember 2003 gegen 23.30 Uhr vor der Discothek „K2“ die Jugendlichen mit gezielten Messerstichen getötet. Vorausgegangen war laut Anklage ein Streit, in dem Leonhard S. eine Ohrfeige bekam. Nach Angaben des Gerichts bestreitet der Angeklagte die Tat nicht, beruft sich aber auf Notwehr. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugendstrafe. Das Urteil soll Freitag gesprochen werden.

Nach der Tat hatte die Polizei ihre Präsenz in der 51.000- Einwohner-Stadt verstärkt. Die Beamten befürchteten Zusammenstöße zwischen rechten und linken Jugendlichen, denn der Verdächtige wird der rechtsradikalen Szene zugeordnet. Laut Staatsanwaltschaft ist jedoch „Ausländerfeindlichkeit als Motiv nicht nachweisbar“. Dennoch brodelten im Internet wochenlang Gerüchte über das Tatmotiv. „Haltet Frieden miteinander“, riefen die Eltern der Opfer den Jugendlichen in der angespannten Stimmung zu.

Die Einwohner Heidenheims waren nach der Tat geschockt. Am Tatort vor der Discothek „K2“ legten sie Blumen nieder und entzündeten Kerzen. Mehrere tausend Menschen nahmen an Demonstrationen und Trauerfeiern teil. Im „K2“ wurde ein Benefizkonzert für die Angehörigen der Opfer veranstaltet. Auch sieben Monate nach der Tat wirkt der Tod der drei Jugendlichen nach. „Ich spüre in Gesprächen mit Jugendlichen, dass sie umsichtiger geworden sind“, sagt Oberbürgermeister Bernhard Ilg. Und er fügt hinzu: „Gott sei Dank hat sich niemand radikalisieren lassen.“ Neben kulturellen und sportlichen Angeboten, mit denen die Stadt Jugendlichen „eine Alternative zur Disco, zum Wodka und zum Kiffen“ bieten will, soll vor allem die Integration junger Spätaussiedler und Ausländer stärker in den Blickpunkt rücken, hat sich das Stadtoberhaupt vorgenommen.

Auch die Polizei sieht die Lage oberflächlich wieder entspannt: „Heidenheim war sehr betroffen, nach außen hin ist aber alles schnell zum Alltag zurückgekehrt“, sagt Polizeisprecher Horst Baur. Die Beamten wollen speziell die Jugendszene weiter im Auge behalten. Seit Monaten werde verstärkt die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes kontrolliert: So wurden immer wieder nach Mitternacht betrunkene Minderjährige in Discotheken angetroffen. „Das werden wir allein durch Kontrollen nicht in den Griff bekommen“, meint Baur. „Leider haben wir da nicht alle Eltern auf unserer Seite“, bedauert Oberbürgermeister Ilg.