Amerikaner bleiben enthaltsam

Mit den Fragen ums Geld beginnen die Kontroversen auf der Welt-Aids-Konferenz. Aktivisten stören Rede von Hank McKinnell, dem Chef des Pharma-Multis Pfizer

BANGKOK taz ■ Auf der Welt-Aids-Konferenz häufen sich die Kontroversen. Dabei geht es vor allem um bislang nicht bereitgestellte Gelder für Aids-Projekte, um die Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die Produktion von Generika sowie um Fragen der Prävention. In einem Interview griff UN-Generalsekretär Kofi Annan die USA scharf an. Er warf Washington unter anderem vor, nicht genug Geld für den 2002 gegründeten „globalen Fonds“, den UN-Fonds zur Finanzierung von Aids-Projekten, bereit gestellt zu haben. Dabei hatte die Regierung von George W. Bush einst rund 15 Milliarden US-Dollar dafür veranschlagt.

„Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus hat die HIV/Aids-Epidemie überschattet“, kritisierte Annan in Bangkok. Insgesamt betonte er, dass neben den USA auch Europa zu wenig tue, um den Fonds zu unterstützen. Anthony Fauci, führender Berater der Bush-Administration in Aids-Fragen, wies die Vorwürfe zurück und betonte die Forderung der US-Regierung nach mehr Mitspracherechten: „Schon als der globale Fonds startete, wollten die USA direkter intervenieren, wie das Geld verwendet würde, wenn sie schon die Summe von 15 Milliarden Dollar bereitstellen“, so Fauci.

Abgesehen von den Debatten ums Geld nahm UN-Generalsekretär Annan noch einen weiteren Punkt aufs Korn: Die Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen, ob der Gebrauch von Kondomen oder sexuelle Enthaltsamkeit der beste Weg der HIV-Prävention sei, nannte Annan eine „falsche Debatte“. Bereits zum Auftakt der 15. Welt-Aids-Konferenz waren die USA massiv für ihre konservative Grundhaltung kritisiert worden. Zur diesjährigen Welt-Aids-Konferenz hatten sie eine stark verkleinerte Delegation geschickt – aus finanziellen Gründen, hieß es offiziell. Kritiker vermuten dagegen, den Amerikanern passte die inhaltliche Ausrichtung des Gipfels nicht, weil sie erwarten mussten, dass die US-Politik bezüglich der Herstellung von billigeren Nachahmemedikamenten (Generika) auf dem Prüfstand stehen würde. Sie lagen richtig: Gestern wurde eine Rede des Vorsitzenden des US-Pharmakonzerns Pfizer, Hank McKinnell, gestört. Die rund hundert Aktivisten, die Slogans riefen wie „Befreit die Menschen, durchbrecht die Patente“, werfen Pfizer und anderen Pharmamultis vor, auf dem Patentschutz für bestimmte Aidsmedikamente zu beharren und dadurch die Herstellung billigerer Produkte zu verhindern.

Die Produktion von Generika ist vor dem Hintergrund möglicher Freihandelsabkommen zwischen Schwellenländern und den USA ein weiterer zentraler Aspekt der Konferenz. Derzeit stehen Thailand und mehrere Länder im südlichen Afrika sowie in Lateinamerika in bilateralen Verhandlungen mit Washington.

Wenn Thailand dieses Abkommen unterzeichne, werde es sich selbst die Möglichkeiten nehmen, alle HIV-Erkrankten mit der lebensnotwendigen Medizin zu versorgen. Das sagte gestern Paul Cawthorne, Thailand-Vertreter der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. In den Verhandlungen werden die USA darauf bestehen, das „geistige Eigentum“ ihrer patentierten Produkte absolut und noch auf Jahre hin zu schützen. „Wenn es dieselbe Art von Übereinstimmung ist, die Singapur mit den USA unterzeichnet hat, wird Thailand keine neuen Produkte mehr entwickeln können und auch nicht in ärmere Nachbarländer exportieren können, wie es die Regierung versprochen hat“, so Cawthorne. Als Schwellenländer genießen Thailand, Brasilien und auch Indien eine Vorreiterrolle in der weltweiten Generikaproduktion. Brasilien umgeht bisher alle Lizenz- und Patentbestimmungen und verteilt Generika an alle Betroffenen. NICOLA GLASS