Leise und laute Anpassungsbemühungen

Paul Morrisons Feelgood-Movie „Davids wundersame Welt“ spielt im London der 50er-Jahre. Eine jüdische Familie versucht, so zu werden wie die nichtjüdischen Nachbarn

Das weniger Schöne an diesem Film ist, dass am Ende alles so unheimlich gut wird. Darin besteht oft die Crux der Feelgood-Movies: Sie nehmen sich der Außenseiter an, integrieren sie in einem cineastischen Feierakt in die Gesellschaft und verderben es dann durch Übertreibung des Süßlichen.

„Davids wundersame Welt“ von Paul Morrison ist aber nicht nur als Filmprojekt voller guter Absichten, sondern handelt auch davon, und Letzteres macht ihn interessant. Die Eltern von David Wiseman sind vor Hitler aus Deutschland nach Großbritannien geflohen. Nun, Anfang der 50er-Jahre, bemühen sie sich als junge Familie vor allem darum, nicht aufzufallen. Was unter der strengen Beobachtung der Nachbarn nicht ganz einfach ist – die Wisemans wohnen in einem jener typisch englischen schmalen Reihenhäuser mit länglichem Gartengrundstück, in das viele Augen Einblick nehmen können. Ihr Sohn David, elf, hat seine eigene Strategie, sich zu integrieren: Er interessiert sich leidenschaftlich für den britischen Nationalsport Cricket. Leider reicht die pure Begeisterung nicht aus, um aus ihm einen guten Spieler zu machen. Weshalb er in der Schule weiterhin der „Fremde“ bleibt, dem allenfalls gestattet wird, an der Tafel die Punktetabelle zu führen.

Dann geschieht das in dieser Nachbarschaft Unerhörte: In das Haus neben den Wisemans zieht eine schwarze Familie. Davids Eltern sehen sich unter gutnachbarschaftlichen Druck gesetzt, sich erstens fern zu halten und zweitens einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Schwarzen wieder wegziehen. David selbst fühlt sich aber unwiderstehlich zu den neuen Nachbarn hingezogen, denn die begeistern sich für Cricket. Gegen das ausdrückliche Gebot seiner Eltern – „Wir haben nichts gegen sie, aber wir verkehren nicht mit ihnen“ – freundet er sich mit ihnen an, erhält ein ordentliches Training in Nachbars Garten und kommt damit schon bald in die Cricket-Schulmannschaft. Auch seine Mutter sieht ihre besten Vorsätze durch ihr Interesse am Exotischen durchkreuzt.

In Halbsätzen, Gesten und Blicken bringt der Film wie beiläufig die zwiespältigen Gefühlslagen auf den Punkt, die zwischen den unterschiedlichen Emigranten aus Karibik und Europa herrschen. Die „leisen“ Anpassungsbemühungen der Wisemans gegen die „lauten“ ihrer neuen Nachbarn, ihr Hin-und-hergerissen-Sein zwischen der Pflicht zur Toleranz aus eigener bitterer Erfahrung und dem Wunsch, von den britischen Nachbarn als „gleich“ akzeptiert zu werden. Rassismus und Antisemitismus sind hier im Übrigen rein weiße Phänomene. Im Gottesdienst der Schwarzen wird David als Ehrengast empfangen: „Er ist Jude, wie unser Herr Jesus!“. Und kein Auge bleibt trocken, wenn der Chor Davids mit dünner Stimme auf Hebräisch vorgetragenen Psalm „Der Herr ist mein Hirte“ zum kräftigen mehrstimmigen Swing ausbaut.

Am nachdrücklichsten bleibt aus diesem Film aber die Geschichte einer Verletzung hängen: Da David nun erfolgreicher Teamspieler ist, kommt seine ganze Schulmannschaft zu seinem Geburtstag. Seine Eltern strahlen angesichts dieser Integrationsleistung. Um diesen Erfolg nicht zu gefährden, weist David seine schwarze Freundin von nebenan an der Tür ab. Es ist in der Tat ein Wunder, dass sie ihm das irgendwann verzeiht.

BARBARA SCHWEIZERHOF