Immer nicht zuständig

Linkes Bochumer Bündnis wirft der Polizei vor, die Neonazi-Demo am 26.6.2004 nicht aufgelöst zu haben. Für heute ist Protest angesagt

Die Neonazi-Demo in Bochum ist ein Dammbruch in der Nachkriegsgeschichte

VON NATALIE WIESMANN

Das Verhalten der Polizei bei der vergangenen Neonazi-Demo in Bochum steht stark unter Beschuss: „Die Erlaubnis der Neonazi-Hetze gegen den Synagogenbau bedeutet einen Dammbruch in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands“, sagt Ralf Wegener vom Bochumer Bündnis „Wiederaufbau der Synagoge unterstützen – Neonazi-Aufmarsch verhindern!“ bei einer Pressekonferenz. Das Bündnis wirft der Polizei vor, die vom Bundesverfassungsgericht zugelassene Demonstration der Rechten nicht vorzeitig aufgelöst zu haben. Viele Symbole, die die Rechten getragen hätten, seien vom Verfassungsschutz verboten, weiß Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforscher. „Die Reden und Parolen waren eindeutig volksverhetzend“, bestätigt auch der Bochumer Richter Ralf Feldmann.

Er habe Respekt vor den Versuchen des Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner, die Demonstration zu verbieten, so Feldmann. „Ich verstehe aber nicht, warum die Polizei es nicht vermochte, auf die zu erwartende Volksverhetzung angemessen zu reagieren.“ Empörend sei aber vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Demo unter dem weichgespülten Motto „Gegen die Verschwendung von Steuergeldern“ erlaubt hatte. Auch Ulrich Sander, Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) in NRW, sieht das Hauptproblem bei den Karlsruher Richtern: „Die Erlaubnis der Demo verstößt gegen das Grundgesetz der Menschenwürde“, empört er sich. Die Entscheidung des obersten Gerichts hätte die Polizei in ihrem Verhalten auf der Demo verunsichert. „Denn es wäre durchaus möglich gewesen, die entsprechenden Leute wegen Volksverhetzung nach und nach aus dem Verkehr zu ziehen“, so Sander.

Dieser Meinung ist die Polizei anscheinend nicht. Der taz wollte die Pressestelle zu diesem Thema nichts mehr sagen. In den vergangenen Wochen war es jedoch zu einem Schlagabtausch zwischen dem Polizeipräsidenten und den Bochumer Grünen gekommen. In einem Offenen Brief werfen auch die Grünen der Polizei vor, sie hätte trotz des Tatbestands der Volksverhetzung nicht eingegriffen. Angesprochene Beamten hätten mit dem Argument der Nicht-Zuständigkeit reagiert. Und: „Die volksverhetzenden und antisemitischen Parolen der NPD hätten eine sofortige Auflösung der Kundgebung zur Folge haben müssen.“ Offensichtlich habe sich die Polizeiführung nicht dazu im Stande gefühlt.

Polizeipräsident Thomas Wenner lässt diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen: Es seien während der gesamten Demonstration zwei Staatsanwälte anwesend gewesen, um alle jeweils notwendigen Entscheidungen vor Ort treffen zu können, schreibt er in einem Offenen Brief an die Grünen. „Es war also gänzlich unnötig, die Arbeit der Bochumer Polizeiführung und der eingesetzten Polizeibeamten durch einen ‚Wächterrat‘ noch einmal gesondert überwachen zu lassen“, beschwert er sich.

Vor seinem Polizeipräsidium soll es heute dennoch zu Protesten kommen: Das linke Bündnis ruft Bochumer Bürger auf, sich um 17 Uhr dort zu versammeln. Auch in Karlsruhe und Berlin soll demonstriert werden. Der 20. Juli wird traditionell als Tag des Widerstandes gegen das Hitlerregime gefeiert: Heute vor 60 Jahren hat Oberst Graf von Stauffenberg vergeblich versucht, Adolf Hitler umzubringen.