Ihr Job ist jetzt überflüssig

Verfassungsgericht entmachtet die Bildungsministerin. Nicht einmal über Juniorprofessuren entscheidet Edelgard Bulmahn

VON CHRISTIAN RATH

Dieses Urteil ist keine Niederlage für Edelgard Bulmahn – es ist ihre Entmachtung. Nicht einmal eine Juniorprofessur darf sie in ihrem Hochschulrahmengesetz einführen, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Was aber soll eine Bundesbildungsministerin tun, wenn der Bund im Hochschulbereich kaum noch Kompetenzen hat?

Bulmahn hatte eigentlich große Ziele. Sie wollte verhindern, dass deutsche Nachwuchswissenschaftler ins Ausland abwandern. Außerdem sollen deutsche Unis für herausragende Jungforscher aus dem Ausland interessant werden. Deshalb änderte der Bund vor zwei Jahren das Hochschulrahmengesetz (HRG) und führte den Juniorprofessor ein, der schon mit Anfang 30 selbstständig forschen und lehren darf.

Neben 37.000 ordentlichen Professoren gibt es in Deutschland bereits knapp 1.000 Juniorprofessuren an 65 Universitäten. Der Bund förderte ihre Einrichtung mit jeweils 60.000 Euro. Ab 2010 sollte der Weg zur Professur in aller Regel über die Juniorprofessur gehen, die bisherige Habilitation (siehe Kasten) sollte keine Rolle mehr spielen.

Gegen diese Reform gab es von zwei Seiten Widerstand. Altgediente Professoren wehrten sich vor allem gegen die Entwertung der Habilitation. Sie können sich eine Hochschulkarriere ohne das Schreiben sehr dicker Bücher einfach nicht vorstellen und warnten vor der „McDonaldisierung“ der Universität. Und natürlich geht es dabei auch um persönliche Privilegien. Ein Habilitand ist von ihnen abhängig und buckelt für den Lehrstuhl, während der Juniorprofessor zumindest auf dem Papier selbstständig ist und eigene Mittel hat.

Die zweite Front machten einige Länder auf. Sie warfen dem Bund vor, dass er mit der detaillierten Regelung im HRG seine Kompetenzen überschritten habe. Die drei Freistaaten Bayern, Thüringen und Sachsen trugen den Streit sogar nach Karlsruhe. Und hatten jetzt Erfolg. Das Urteil beruht ausschließlich auf den Überlegungen zum Bund-Länder-Verhältnis.

Fünf von acht RichterInnen des Zweiten Senats – es handelt sich um die vier Konservativen im Senat und den linken Vizepräsidenten Winfried Hassemer – gaben der Länderklage statt. Der Bund habe seine Befugnisse überdehnt, weil er den Ländern nicht nur einen Rahmen vorgab, sondern diesen gleich ausgefüllt hat. „Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten“, heißt es seit 1994 im Grundgesetz. Damals wurde die Verfassung ausdrücklich zugunsten der Länder geändert, um ihnen gesetzgeberischen Spielraum zurückzugewinnen.

Diesen Länder-Spielraum habe der Bund bei der Einführung der Juniorprofessur nicht beachtet, entschieden nun die Richter. Der Bundestag hätte nicht detaillierte Regelungen über die Berufung von Professoren aufstellen dürfen, er könne allenfalls ein „Leitbild für das deutsche Hochschulwesen“ vorgeben.

Immerhin drei RichterInnen hielten dieses Ergebnis für falsch. Die Kompetenz des Bundes dürfe nicht so eng ausgelegt werden, dass ihm im Hochschulbereich „praktisch jede Möglichkeit zu neuer politischer Gestaltung“ genommen ist. Für Edelgard Bulmahn ist das aber nur ein schwacher Trost. Sie muss nun mit dem Urteil der Mehrheit leben.

Und der nächste Nackenschlag könnte schon bald erfolgen. Noch in diesem Jahr will das Bundesverfassungsgericht über das Verbot von Studiengebühren entscheiden. Auch hier hat der Bund im Hochschulrahmengesetz vor zwei Jahren eine bundesweite Regelung getroffen, die zahlreiche Länder für unzulässig halten. Immerhin sechs unionsregierte Länder wollen künftig selbst entscheiden, ob sie Gebühren fürs Studium verlangen.

Auswirkungen hat das gestrige Urteil aber auch auf andere Politikbereiche. Rahmengesetze darf der Bund zum Beispiel auch beim Natur- und Gewässerschutz erlassen. Nach der gestrigen Entscheidung sind hier ebenfalls die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundes stark eingeschränkt.

Möglicherweise hat die Karlsruher Entscheidung aber nur eine kurze Lebensdauer. Denn die Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat diskutiert derzeit, ob die diffizile Rahmengesetzgebung nicht generell abgeschafft wird. Möglich wäre dann ein Deal: Das Hochschulrecht wird ganz den Ländern zugeschlagen, während der Bund bei Natur- und Gewässerschutz eine Vollkompetenz erhielte.

Im Hochschulrecht können die Länder nun zeigen, wie sie mit ihrer neuen Freiheit umgehen. Theoretisch kann jedes Land nun eigenständig regeln, welche Voraussetzungen ein Universitätsprofessor mitbringen muss. In den meisten Ländern, insbesondere bei den Klägern Bayern, Thüringen und Sachsen, soll die Habilitation als zweite Möglichkeit neben die Juniorprofessur gestellt werden. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass die Berufungskommissionen an den Unis die Habilitierten bevorzugen und reine Juniorprofs keine Chance haben. Sollten andere Länder deshalb – nach dem Vorbild Bulmahns – die Habilitation ausdrücklich für unerheblich erklären, dann müssten junge Wissenschaftler ihren Karriereweg gut planen. Der Wechsel von einem Land ins nächste wäre nicht so einfach. Peter Gaethgens, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, forderte die Länder gestern bereits auf, sich auf einheitliche Regeln zu einigen. Gut, dass wir den Föderalismus haben.