Schlecker liegt in Scherben

Unbekannte haben Schaufenster von Wuppertaler Schlecker-Filialen zerschlagen und Wände beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt erfolglos. Der taz liegt ein Bekennerschreiben vor

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Unbekannte Täter haben zwei Anschläge auf Filialen der Drogerie-Kette Schlecker in Wuppertal verübt. Jetzt ging der taz das Bekennerschreiben zu. Nach Polizeiangaben wurde am Dienstag vergangener Woche ein Geschäft mit „Farbe beschmiert“, bei einem weiteren wurde eine Fensterscheibe zerstört. Der Staatsschutz fahndet nach den Tätern, hat aber keine heiße Spur. Wuppertals Polizeisprecher Gustav Heyer sagte lediglich, er könne nicht ausschließen, dass es sich bei den Tätern um Angestellte der Firma handele.

Gerade um die scheint es bei den Anschlägen zu gehen. In dem Schreiben bekennt sich die „Aktionsgemeinschaft Gegendruck“ zu den Attacken. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Mit Druck auf seine MitarbeiterInnen ist Schlecker groß geworden. Mit der Zerstörung von Türen und Schaufenstern mehrerer Schlecker-Filialen in Wuppertal wollen wir für wachsenden Gegendruck werben.“ Die Verfasser des Briefes wollen mit ihrer Aktion auf die „schikanöse Ausbeutung der Angestellten“ aufmerksam machen. Hierbei dreht es sich vor allem darum, dass Schlecker immer mehr Personal entlasse, einen Teil der Arbeitszeit nicht entlohne oder Hausbesuche bei Mitarbeitern mache, die sich krank gemeldet haben.

Die Aktionsgemeinschaft gibt ferner vor, sich unter anderem den Forderungen der AG Perspektiven von Verdi Berlin anzuschließen. In Berlin ist eine derartige AG allerdings nicht bekannt. „Wir haben damit nichts zu tun“, sagt Achim Neumann von Verdi Berlin. Dem Verantwortlichen der Abteilung Handel liegt ebenfalls ein Schreiben vor, das unter dem Logo der Gewerkschaft Stellung zu den Anschlägen bezieht. Bei den Unbekannten könne es sich nur um Menschen handeln, „die höchstens drei bis vier Bücher gelesen haben“, so Neumann. Verdis Linie sei eher die der Vernunft: „Wir setzen lieber auf Verhandlungen mit der Schlecker-Geschäftsführung“, obschon diese oft schwierig bis unmöglich seien.

Auch gegenüber der taz wollte sich der Schlecker-Konzern gestern nicht zu den Vorgängen in Wuppertal äußern. Bereits in der Vergangenheit stand der erfolgreichste Drogerist Europas mehrfach in der Kritik. Erst im März protestierte Verdi-Boss Frank Bsirske vor einer Hanauer Schlecker-Filiale gegen die „entwürdigende Beschäftigtenhaltung“ und die Blockierung von Betriebsratsarbeit bei allen führenden Discountern in Deutschland. Dienstleistungsgewerkschafter Bsirske schäumte damals, nicht nur bei Schlecker, auch bei Lidl und Aldi herrschten „Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert“. In den rund 10.500 Schlecker-Filialen mit etwa 35.000 fast ausschließlich weiblichen Beschäftigten existieren nur wenige Betriebsräte. Zudem prangern die Gewerkschafter an, dass die Filialen häufig unterbesetzt seien. Das führe zu Stress und Leistungsdruck.

Bereits im Mai wurden Schlecker-Filialen in Frankfurt gezielt attackiert. Auch dort hatten Unbekannte Pflastersteine in Schaufensterscheiben geworfen und sich in anonymen Bekennerschreiben kritisch über die firmeninternen Vorgänge geäußert. Wie in Wuppertal prangerten die Attentäter das Betriebsklima und die sozialen Verhältnisse bei Schlecker an. Dass es sich bei den Wuppertaler Aktivisten um Komplizen der Frankfurter handelt, ist nahe liegend: Die Wuppertaler solidarisieren sich jedenfalls mit ihren Frankfurter Freunden.