Turbo-Rolf bleibt frei

Das Landgericht Karlsruhe verurteilt den Autobahndrängler zu einem Jahr Haft, setzt die Strafe aber zur Bewährung aus. Sein mildes Urteil verteidigte Richter Kiwull mit Verweisen auf ähnliche Fälle

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Rolf F. muss nun doch nicht ins Gefängnis. In einem abgewogenen Urteil verurteilte das Landgericht Karlsruhe den vermeintlichen Autobahndrängler, der den Tod von zwei Menschen verursacht haben soll, zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Außerdem muss der ehemalige Daimler-Testfahrer mindestens ein Jahr auf seinen Führerschein verzichten sowie 12.000 Euro Geldauflage bezahlen, unter anderem an die Johanniter-Unfallhilfe. Die Vorinstanz, das Amtsgericht Karlsruhe, hatte auf achtzehn Monate Haft ohne Bewährung entschieden.

„Ohne Zweifel“ der Fahrer

Das gestrige Urteil von Richter Harald Kiwull und den beiden Schöffinnen ist zwar milde im Strafmaß, aber hart in der Beweiswürdigung. „Ohne Zweifel“ sei Rolf F. der Fahrer gewesen, der am 14. Juli 2002 bei Karlsruhe auf der Autobahn dahinraste und mit extrem hoher Geschwindigkeit auf den Kleinwagen von Jasmin A. auffuhr. Diese erschrak, begann zu schleudern und kam von der Fahrbahn ab. Sie und ihre zweijährige Tochter waren sofort tot.

Gesucht wurde anschließend ein dunkler Mercedes mit viel PS und Böblinger Kennzeichen. In einer Rasterfahndung wurden 369 Fahrzeuge ermittelt und jeder einzelne Halter überprüft. Am Ende lief für die Polizei alles auf Rolf F. hinaus. So sah es auch das Gericht. Es stützte sich bei der Verurteilung vor allem auf zwei Zeugen, die Scheinwerfer und Auspuffanlage des dunklen Mercedes genau beschrieben.

Rolf F. hatte auf Freispruch plädiert – er sei erst um 6.10 Uhr, also zehn Minuten nach dem Unfall, an der fraglichen Stelle vorbeigekommen. Doch Richter Kiwull glaubte ihm nicht. F. habe einfach zu viel gelogen im Rahmen der Ermittlungen. Nach einer Weg-Zeit-Berechnung des Gerichts war es durchaus möglich, dass F., den seine Kollegen auch „Turbo-Rolf“ nannten, bei schneller Fahrweise um 6 Uhr vor Ort sein konnte.

Kein „Rambo der Straße“

Mit einer erneuten Verurteilung hatten die meisten Beobachter gerechnet. Gespannt war man vor allem auf das Strafmaß. Und hier kam Rolf F. noch einmal glimpflich davon. Das Gericht milderte die vom Amtsgericht verhängten 18 Monate auf ein Jahr ab, weil Rolf F. „kein Rambo der Straße“ gewesen sei. So habe er nur einen Eintrag in der Flensburger Verkehrssünderkartei. Und ein als glaubwürdig angesehener Kollege hielt F. nach vierjähriger Fahrgemeinschaft für einen „schnellen, aber nicht unfallträchtigen“ Fahrer. Andere Kollegen, die schlecht über F. sprachen, waren dagegen noch nie mit ihm gefahren.

Das Gericht setzte die Strafe zur Bewährung aus, weil F. eine günstige Sozialprognose habe. „Der Angeklagte wird keine Straftaten mehr begehen“, gab sich Richter Kiwull überzeugt. Außerdem werde die Aussetzung zur Bewährung in der Bevölkerung nicht auf großes Unverständnis stoßen – was abzuwarten bleibt.

Kiwull hielt F. auch zugute, dass er seinen Job verloren habe und auf Jahre hinaus als „Autobahndrängler“ gebrandmarkt sei. Außerdem seien die Medien in massiver Weise in sein Privatleben eingedrungen.

Offensichtlich hat das Gericht aber doch mit massiver Kritik an seinem milden Urteil gerechnet und deshalb gleich Urteile aus einigen vergleichbaren Fällen von fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr zitiert. Da wurde etwa ein Autofahrer, der bei einem verkehrswidrigen Überholmanöver einen Menschen tötete, nur zu einer Geldstrafe verurteilt. Haftstrafen gab es nur, wenn Alkohol im Spiel war.

Das öffentliche Urteil

Selbst die rechtspolitische Debatte hatte das Gericht im Blick. Man könne F. nicht vorwerfen, dass er schnell gefahren sei, schließlich habe es an der fraglichen Stelle keine Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben. Vorzuwerfen sei ihm nur, dass er grob fahrlässig und rücksichtlos auf den Wagen vor ihm aufgefahren war und damit eine „hochriskante Gefahrenlage“ schuf. Wer eine allgemeine Höchstgeschwindigkeit wolle, müsse sich dafür politisch einsetzen.

Rolf F.s Anwalt Georg Prasser kündigte noch im Gerichtssaal an, dass er in Revision gehen werde. Dort wird es allerdings nur um Rechtsfragen gehen. Und mit dem Argument, das Gericht habe zu Unrecht nicht an der Täterschaft Rolf F.s gezweifelt, wird er beim Oberlandesgericht nicht weit kommen.

Die Anwälte der Hinterbliebenen zeigten sich gestern trotz des milden Urteils zufrieden. „Hauptsache, es ist endlich festgestellt, wer der Täter war“, sagte Hans Ribstein. „Das Strafmaß kann man vertreten, das ist am Oberrhein so üblich.“