Ein blutiger Winterzauber

Hamburger Polizist wegen Schlagstockeinsatz auf dem Heiligengeistfeld zu neunmonatiger Bewährungsstrafe und Schmerzensgeld verurteilt. Demonstrant erlitt blutende Kopfplatzwunde. Der Angeklagte leugnete bis zum Schluss

Von Marco Carini

Er hat geleugnet bis zum Schluss. Den Schlagstock, beteuerte Marc-Ulrich Sch., habe er gar nicht eingesetzt. Doch der Richter glaubte dem 29-jährigen Angeklagten, der auf dem Polizeikommissariat am Steindamm seinen Dienst schiebt, kein Wort. Und verurteilte den Beamten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Verhandelt wurden vor der Strafkammer des Hamburger Amtsgerichts die Vorfälle am Abend des 25. Januar 2003. Kurz vor 20 Uhr war es auf dem Heiligengeistfeld vor dem „Winterzauber“-Festzelt zwischen Sympathisanten des Bambule-Bauwagenplatzes und der Polizei zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen. Weil er ein gewaltsames Eindringen der rund 80 Demonstranten in das Zelt befürchtete, hatte Einsatzleiter Peter H. den Befehl ausgegeben, die Anwesenden auch mit Hilfe des Schlagstockes in Polizeigewahrsam zu nehmen.

Ohne Vorwarnung stürmten die Bereitschaftszüge auf die Bambulisten zu und griffen ab, wessen sie habhaft werden konnten. Wie auch die übrigen Demonstranten ergriff Manfred Sch. vor den heraneilenden Polizeikohorten die Flucht. Ohne Erfolg. „Ich bin kein schneller Läufer“, betont der schmächtige 37-Jährige: „Ich war nicht weit gekommen, dann hat es ‚Zong!‘ gemacht.“ Der freiberufliche Dramaturg spürte einen Schlag auf den Hinterkopf, ging zu Boden und nahm einen „harten Tritt in den Rücken wahr“. Wer ihm den Tritt und den Schlag, der eine blutig-klaffende Kopfplatzwunde verursachte, versetzt hatte, konnte der Nebenkläger nicht mit Sicherheit sagen. Der Schlag traf ihn so hart, dass er drei Wochen lang an Übelkeit und Kopfschmerzen litt.

Dass tatsächlich der Beamte Marc-Ulrich Sch. – der vor Gericht einräumte, den Flüchtenden zu Fall gebracht und festgenommen zu haben – den Hieb ausführte, dafür gibt es keine Zeugen. Doch weil der Schlag laut Aussage des Geschädigten unmittelbar vor dem Zugriff erfolgte, geriet der Polizist ins Visier der Staatsanwaltschaft. Zudem machte er sich verdächtig: Mindestens einer Kollegin soll er am Tatort zugerufen haben, die sichtbare Verletzung resultiere wohl daher, dass der Demonstrant gegen einen Bauzaun oder ein Gerüst gelaufen sei. In seinem späteren Bericht war von dieser Version keine Rede mehr.

Für die Staatsanwältin bestanden „keine Zweifel“ mehr, dass nur der Beschuldigte der Täter sein könne; nur er sei zum Zeitpunkt der Tat „an dem Geschädigten dran“ gewesen. „Eine Ingewahrsamnahme kann nicht so vonstatten gehen, dass einem Flüchtenden ein Schlag auf den Hinterkopf gegeben wird, nur um seine Personalien feststellen zu können.“ Für diese „gefährliche Körperverletzung im Amt“ seien „zehn Monate auf Bewährung tat- und schuldangemessen“.

Dass der Verteidiger des Angeklagten versuchte, die üblichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Geschädigten zu säen, mochte Amtsrichter Lass nicht beeindrucken. Er reduzierte zwar das von der Anklage geforderte Strafmaß um einen Monat, schloss sich ihren Bewertungen aber weitgehend an. „Dieser Schlagstockeinsatz war nicht gerechtfertigt – sie müssen dabei die Gefahr einer erheblichen Verletzung gesehen haben“, begründete Lass die Verurteilung, auf die er noch ein Schmerzensgeld von 400 Euro draufsattelte.

Ausgestanden ist der Fall indes noch nicht: Der Beamte ließ wenig Zweifel daran, dass er gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen wird. Zudem erwarten ihn disziplinarische Maßnahmen.