„Ich muss warnen: Wir brauchen diese Waffe nicht“

Gernot Piestert, früherer Landesschutzpolizeidirektor, fürchtet, dass irgendwann ein Polizist mit dem Tonfa den Schädel eines Menschen einschlägt

taz: Herr Piestert, als Chef der Schutzpolizei waren Sie strikt gegen den Mehrzweckstock bei den geschlossenen Einheiten. Warum?

Gernot Piestert: Ich glaube, dass eine Ausweitung der Bewaffnung für die Psyche der Polizisten nicht gut ist. Mit dem Mehrzweckstock kann aus dem gewollten Gefühl der Überlegenheit leicht ein Gefühl von Macht entstehen, das sich negativ auswirken kann. Eine äußere Aufrüstung führt auch zu einer inneren. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass wir diese Waffe nicht benötigen.

Stichwort Melone – was sagt Ihnen das?

Ich kenne die Geschichte nur vom Hörensagen. Das muss Anfang der 90er-Jahre gewesen sein, als Georg Schertz Polizeipräsident war und der Mehrzweckstock bei den Spezialeinheiten relativ neu auf dem Markt war. Herr Schertz hat sich die Waffe von SEK-Beamten präsentieren lassen. In seinem Dienstzimmer haben sie eine Melone, in Anlehnung an den menschlichen Kopf, mit einem Schlag in tausend Stücke geschlagen. Es hieß, Schertz sei leichenblass gewesen. Auf jeden Fall hat er sich vehement dagegen gewandt, diese Waffe anderen Polizisten zugänglich zu machen.

Wie erklären Sie sich, dass der heutige Polizeipräsident den Mehrzweckstock hoffähig machen will? Glietsch gilt doch nicht als Haudrauf.

Herr Glietsch stützt sich vermutlich darauf, dass diese Waffe überall im Bundesgebiet eingeführt ist und bisher von keinen negativen Vorfällen berichtet worden ist. Ich bestreite auch nicht, dass man damit ganz vorzügliche Festnahmen durchführen kann. Aber dazu muss man sie beherrschen. Wer mit dem Mehrzweckstock nicht regelmäßig trainiert, kann damit furchtbare Verletzungen hervorrufen.

Können die geschlossenen Einheiten das leisten?

Der Aufwand ist enorm. Ich bin der Auffassung, die Berliner Polizei sollte sich lieber um die Bürger auf der Straße kümmern, statt in den Sporthallen Zeit zu verplempern.

Sie haben mal gesagt, der Mehrzweckstock entspreche nicht Ihrem Menschenbild eines Polizisten.

Wenn ein Hund oder eine Katze überfahren worden ist, wird die Polizei das Tier in aller Regel erschießen, um es von seinen Qualen zu erlösen. Wir könnten es auch billiger machen und das Tier mit einem Schlagstock oder Spaten erschlagen. Aber das tun wir nicht, weil es nicht mit unserem Menschenbild übereinstimmt. Ich habe Furcht davor, dass irgendwann einem Menschen von einem Polizisten der Schädel eingeschlagen wird.

Wie stehen die übrigen Polizeiführer zu dieser Frage?

Die Haltung innerhalb der Behörde ist zwiespältig. Aber ein großer Teil der Polizeiführer – so war es zumindest zu meiner Zeit – lehnt diese Waffe strikt ab. Sie sagen: Wir brauchen überhaupt keine Waffe zur Festnahme. Wir machen das mit bloßen Händen. Darauf sind unsere Einheiten trainiert.

Was ist Ihre Prognose? Kommt der Mehrzweckstock?

Ich vermute, dass nicht gefragt, sondern einfach angeordnet wird.

Seit Sie im Frühjahr 2003 in Ruhestand gegangen sind, haben Sie sich nicht mehr zu Belangen der Polizei geäußert. Warum nun?

Meine Zeit ist vorbei. Nachkarten wäre schlechter Stil. Aber diese Sache liegt mir sehr am Herzen, ich halte sie für so elementar, dass ich warnen muss: Die Berliner Polizei ist hinreichend ausgerüstet. Wir brauchen diese Waffe nicht. INTERVIEW: PLU