Frust an wehrloser Frau abgelassen

Bambule-Einsatz: Zwei Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung und Verfolgung Unschuldiger zu hohen Haftstrafen verurteilt. Schlagstockeinsatz war unverhältnismäßig und die Vorwürfe „ausgeheckt“, um Fehlverhalten zu vertuschen

Von KAI VON APPEN

Das bedeutet den Rausschmiss bei der Polizei: Die beiden Beamten vom berüchtigten Einsatzzug-Mitte, Gunnar O. und Jörg B., sind gestern vom Amtsgericht Hamburg wegen „gefährlicher Körperverletzung im Amt“ und „Verfolgung Unschuldiger“ zu 21 und 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Richter Thomas Semprich sieht es als erwiesen an, dass beide im Bambule-Einsatz auf St. Pauli in der Nacht des 19. November 2002 „ohne Notwendigkeit“ mit dem Schlagstock auf die 31-jährige Katja K. eingeschlagen und sie anschließend eines Flaschenwurfes bezichtigt haben. Semprich: „Sie waren gestresst und genervt – das rechtfertigt aber nicht den Schlag mit dem Schlagstock.“

Die 31 und 33 Jahre alten Polizisten hatten vor Gericht jeweils „zeitgleich einen Schlag“ eingeräumt: O., weil er von Katja K. „gezielt“ mit einer Flasche beworfen und B., da er von der Frau bespuckt worden sei. Zuvor habe sich die Frau, die sich auf dem Heimweg befand, mehrfach passiv ihren Anordnung widersetzt.

Richter Semprich nennt in der Urteilsbegründung die Angaben der Beamten Schutzbehauptungen, die „unschlüssig und weltfremd“ seien. Denn beide wollen jeweils von den Geschehnissen um den anderen nichts mitbekommen haben. „Dass beide in einem Tunnel gehen, ist lebensfremd“, sagt Semprich. „Und dann wird aus einer passiven Frau, die herumtrödelt, da sie mit ihrem Handy und einer SMS beschäftigt ist, plötzlich eine aggressive Frau.“

Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Polizisten nach 13 Stunden Einsatz „über die Einsatzlage genervt“ waren. Denn in der Wohlwillstraße hatten sich verstreute Bambulistas und Anwohner vermengt. „Viele Anwohner weigerten sich nach Hause zu gehen, denn sie waren ja zu Hause“, so Semprich. Die Beamten „haben dann den Schlagstock gegenüber einer Frau eingesetzt, die sich nicht wehren konnte“. Dabei sei für das Gericht unerheblich, dass zuvor der Einsatz andernorts angekündigt worden sei. „Er muss trotzdem immer verhältnismäßig sein.“

Dabei stützt sich das Gericht auf die Angaben zahlreicher Augenzeugen – darunter Rechtsanwalt Manfred Getzmann als „Person der Rechtspflege“. Auch wenn sich die Zeugenaussagen in Nuancen unterscheiden, bestätigen sie alle den Kernbereich. „Alle waren entsetzt, was mit einer Frau passiert, die mit was anderem beschäftigt ist.“ Durch derartiges Vorgehen werde das Demonstrationsrecht verletzt und „Menschen von der Teilnahme an Demonstrationen abgeschreckt“, befindet Semprich.

Dass die eigenen Angaben von Katja K. vor Gericht „dünn“ waren, ist dem Richter nachvollziehbar. „Das ist damit zu erklären, was mit ihr passiert ist“, sagt er. „Der Vorfall hat auf sie großen Eindruck gemacht und psychische Auswirkungen gehabt.“

Als den Beamten des Einsatzzuges klar geworden sei, dass ihre Vorgehen Konsequenzen haben könnte – Getzmann hatte vor Ort Strafanzeige angekündigt – sei aus Kollegialität zusammen mit dem Leiter des Einsatzzuges überdies die Geschichte mit dem Flaschenwurf „ausheckt“ worden, den es nicht gegeben habe. Dafür spreche, dass Katja K. nicht verfolgt wurde, um ihre Personalien aufzunehmen. „Das ist ein derart untypisches polizeiliches Verhalten, wie es das Gericht noch nie erlebt hat.“

Das Argument, die Einsatzlage habe dies nicht zugelassen, nannte Semprich „nicht stichhaltig“. Wie das Polizeivideo belege, „herrschte in dieser Situation keine angespannte Lage durch Pulks von Störern“.