Ein Aufkleber wirkt keine Wunder

Die Aktion „Berlin – barrierefrei“ kennzeichnet behindertenfreundliche Geschäfte. Auch solche, die es nicht immer sind

Nur einmal strich Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) mit ihrer Hand über die Eingangstür des Kaufhauses Dussmann. Und schon ward dieses behindertenfreundlich. Kein Wunder, die Politikerin hatte nur das erste Signet der Aktion „Berlin – barrierefrei“ an den Eingang gepappt, die damit gestern begann.

Das Signet zeigt einen weißen Pfeil auf gelbem Grund und weist darauf hin, dass behinderten Menschen der Einkauf hier leichter fällt. Bis das erste Barrierefrei-Siegel verliehen werden konnte, mussten zunächst die Kriterien für ein barrierefreies Geschäft oder Hotel bestimmt werden. Die fünf Grundkriterien hatten alle Vertreter der Berliner Gewerbetreibenden und Landesbehindertenverbände unter der Ägide des Landesbehindertenbeauftragten Martin Marquard festgelegt. Dazu gehören etwa ein stufenloser Zugang und Orientierungsmöglichkeiten für Seh- und Hörbehinderte. Hinzu kommt eine Liste von speziellen Merkmalen wie hörgerätunterstützende Induktionsschleifen in Kinos und rollstuhlfreundliche Kabinen in Bekleidungsgeschäften.

Es war kein leichtes Unterfangen für Marquard, allen Behindertengruppen mit der Kriterienformulierung gerecht zu werden: „Die Arbeit daran war schwierig“, sagt Marquard. „Doch wir folgen dem Grundgedanken einer Aktion der guten Beispiele und wollen das Positive zeigen.“ Denn der Wille der Gewerbetreibenden sei durchaus vorhanden. Marquard will Unternehmen anregen, das Signet als Werbung zu begreifen. Wenn sich ein Geschäft für geeignet hält, muss es sich bei den Bezirken bewerben. Das Bezirksamt prüft die Erfüllung der Kriterien und vergibt dann das Siegel. „Inflationär wird das Signet nicht vergeben“, versichert der Landesbeauftragte für Behinderte.

Doch auch in Läden mit Barrierefrei-Siegel ist für Behinderte nicht alles eitel Sonnenschein. Denn anders als Marquard beurteilt Hildrun Knuth, die Behindertenbeauftragte in Mitte, die Aktion nicht nur positiv: „Obwohl die Kriterien auch für Hör- und Sehbehinderte formuliert wurden, gilt diese Aktion hauptsächlich für Rollstuhlfahrer.“ Eine Einschätzung, mit der sie richtig liegt. „Die Treppe ist für Sehgeschädigte nicht ausreichend markiert“, stellte ihre Kollegin Elke Lehning-Fricke gestern schon bei Siegelträger Dussmann fest. Dennoch begrüßt Knuth die Aktion als Schritt in die richtige Richtung: „Was weiß ein dynamischer Händler schon über die Bedürfnisse Behinderter.“ STEFAN KLOTZ