Gold für Staatsanwalts-CD

Eine anonym zugesandte CD-Rom an die Bochumer Staatsanwaltschaft lässt Multimillionäre bibbern: Sie enthüllt geheime Geldverstecke der Steuersündigen. Für den Staat ist sie eine Goldgrube

Illegale Stiftungen wurden oft nach Komponisten benannt – oder dem Haustier

von KLAUS BRANDT

Eine kleine CD-Rom ist seit fast vier Jahren das wichtigste Beweismittel im bislang größten Steuerhinterziehungsverfahren der Bochumer Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität. Gespickt mit Daten, Namen und schwindelerregenden Zahlen zu Vermögen-Transfers konnten Staatsanwälte und Steuerfahnder erstmals in der deutschen Justizgeschichte die geheimen Geldverstecke von insgesamt 2.000 Multimillionären aus dem In- und Ausland aufspüren. Die Superreichen nutzten dabei so genannte Familienstiftungen, in die sie meist schon vor mehreren Jahrzehnten ein Geldvermögen von hochgerechnet mindestens vier bis sechs Milliarden Euro an den Finanzbehörden vorbei ausgelagert hatten.

Durch die Auswertung der CD-Rom, die der Bochumer Staatsanwaltschaft anonym auf dem Postwege zugesandt worden ist, konnten bis heute nahezu alle Begünstigten der Stiftungen als Steuersünder überführt werden. Und die hartnäckigen Ermittlungen unter der Federführung der Bochumer Staatsanwältin Margit Lichtinghagen bescherten den Finanzbehörden mehrere große Zahltage – und die sind noch nicht vorbei: Bislang konnte der Fiskus allein im Zuständigkeitsbereich der Steuerfahndung Bochum in 67 Fällen rund 40 Millionen Euro an hinterzogener Einkommens- und Erbschaftssteuer einkassieren; zusätzlich sind die Steuerflüchtlinge mit hohen Geldbußen belegt worden, die nochmals 20 Millionen Euro ausmachen.

Auch für die Steuerfahndungen in Düsseldorf, München und Karlsruhe, denen zahlreiche Verfahren übertragen worden sind, öffnete das Bochumer Beweismaterial eine wahre Goldgrube. Nach Abschluss aller Verfahren wird allein der deutsche Fiskus von den etwa 200 enttarnten inländischen Vermögensmillionären mit Liechtensteiner Geldverstecken hinterzogene Steuern und saftige Geldauflagen mit einer Summe von geschätzten 180 Millionen Euro abgeschöpft haben. Auf den Stiftungskonten in Liechtenstein hatten die Reichen Vermögen zwischen 2,2 und knapp 15 Millionen Euro “geparkt“.

Wie ergiebig das Material auf der CD-Rom ist, zeigt, dass über 150.000 Blatt Papier mit Hinweisen über brisante Geldflüsse ausgedruckt wurden und in die Akten wanderten. Fast jede Ermittlung war ein Volltreffer, doch Strafkammeranklagen gab es in diesem umfangreichen Steuerhinterziehungs- Komplex nur in Einzelfällen. Ziel der Ermittlungen war es vielmehr, dass möglichst viel Geld an den Staat zurückfloss und durch hohe Geldbußen bei Einstellung der Verfahren aufgestockt wurde. Diese Strategie hat aber auch einen rechtlichen Grund: In der Regel waren nämlich die jetzigen Begünstigten nicht die Stiftungsgründer und damit nicht die Initiatoren der Steuerflucht. Die Geldverstecke waren von ihren Großvätern oder Vätern, meist die Oberhäupter von begüterten Unternehmensfamilien, „angelegt“ worden. Die jetzigen Steuersünder sind in der Regel „nur“ die Erben des schwarzen Vermögens – die allerdings das Erbe als unversteuerte stille Reserven in Liechtenstein wachsen ließen.

Auch die von der Bundesregierung beschlossene Steueramnestie war für keinen einzigen der Beschuldigten Anlass, sich zu offenbaren. Sie warteten solange, bis Staatsanwälte und Steuerfahnder an die Türen pochten.

Bei der Wahl der Namen für die Liechtensteiner Stiftungen waren die Steuersünder des deutschen Geldadels nicht immer sehr erfinderisch. Oft wurde lediglich die englische Übersetzung des Straßennamens an ihrem Wohnsitz ausgesucht. Andere benannten die Stiftung in Gedenken an den verstorbenen Vierbeiner „Zückerchen“. Eine besondere Vorliebe entwickelten die Stiftungsgründer bei der Namenswahl jedoch für deutsche Komponisten – Hauptsache Noten, auch wenn es in diesem Fall um viele Bank-Noten geht.

Dass eines der best gehütetsten Finanzgeheimnisse der Welt, die Vermögensverstecke der Millionäre in Liechtenstein, gelüftet worden ist, trifft auch den Nerv der absolut verschwiegenen Anlageberatung des Finanztreuhänders Herbert Batliner in Vaduz. Der fürstliche Kommerzienrat Prof. Dr. Dr. Batliner (heute 75 Jahre alt) gilt als Erfinder und Herr dieser Familienstiftungen und wurde noch vor Jahren als die Institution in der Finanzwelt angesehen, wenn es sich um besonders delikate und geheime Vermögenstransaktionen handelte. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Enttarnung der Stiftungs-Geldverstecke wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Doch dieses Verfahren gestaltet sich nach wie vor äußerst schwierig, da das Fürstentum Liechtenstein bei Steuerdelikten jegliche Mit- und Amtshilfe verweigert.

Die Stiftungsidee war natürlich auch für den Liechtensteiner Finanztreuhänder Batliner ein lukratives Geschäft, und seine Klientel durfte nicht mit „Kleingeld“ kommen. Das Mindestvermögen für eine derartige Familienstiftung betrug mindestens 1,5 Millionen Euro. Allein die Gründungskosten veranschlagte Batliner auf 30.000 Schweizer Franken.

Für die Wirtschaftsabteilung der Bochumer Staatsanwaltschaft ist nach vierjähriger intensiver Ermittlungsarbeit ein Abschluss des größten Steuerverfahrens absehbar. Etwa 80 Fälle müssen noch abgearbeitet werden. In spätestens 12 Monaten, so Margit Lichtinghagen, können die Akten in der Liechtensteiner Millionen-Affäre wohl endgültig geschlossen werden.