Angebot oder Nachfrage?

Das E-Learning-Portal des Landes Brandenburg befindet sich im Testbetrieb. Ein gemeinsames Projekt mit Berlin kam nicht zustande. Kritiker werfen dem Konzept Praxisferne vor und fordern, nicht Anbieter, sondern Lernwillige zu fördern

VON TILMAN VON ROHDEN

Wie viele andere Bundesländer bekommt Brandenburg ein Portal für E-Learning. Die Internet-Plattform soll helfen, Bildungsangebote zu finden, Kurse zu wählen und im Internet gemeinsam mit anderen Menschen interaktiv zu lernen. Bildungsanbieter können auf der Plattform ihre Angebote präsentieren und so ein breites Publikum erreichen. Doch im Augenblick ist dies mehr Theorie als Praxis: Im Zuge des Testbetriebs unter www.tqua.de tummeln sich zurzeit nur wenige Kurse. Ende 2006, wenn der reguläre Betrieb starten soll, werde das anders sein, sagt Konrad Berger, Mitarbeiter beim Fraunhofer Institut und Leiter des Projektes: „Insgesamt haben wir gute Chancen, ein gut genutztes Portal zu erreichen.“ Wo sein Optimismus herrührt, kann er wortreich erklären. Doch auf die Frage, wo denn die vorausberechneten notwendigen 150.000 kostenpflichtigen Nutzungen im Jahr 2007 herkommen sollen, heißt es knapp: „selbstmörderisch optimistisch“.

Wohl gab es Gespräche mit dem Land Berlin für eine gemeinsame Lernplattform, doch diese sind gescheitert. Die zuständige Senatsverwaltung sagt nur, dass es zwischen beiden Ländern unterschiedliche Vorstellungen darüber gegeben habe, inwieweit private oder öffentlich-rechtliche Investoren die Plattform aufbauen sollten. Und dies vor dem Hintergrund, dass die Vereinigung von Berlin und Brandenburg in der Wirtschaft schon längst vollzogen ist und viele Experten der Meinung sind, es gebe sowieso schon zu viele Plattformen, die auf zu wenige Nachfrager stoßen würden.

Man muss dem E-Learning-Portal viel Vertrauensvorschuss geben, will man nicht gleich in Ernüchterung verfallen. Ende 2006 soll dort die virtuelle Akademie des Landes namens VITABrandenburg angesiedelt sein, die dann auch Angebote für die Verwaltung und deren Mitarbeiter bereithält sowie für Bürger, die dort Online-Kurse absolvieren oder mit der Verwaltung kommunizieren können. Diese Erweiterung des Aktionsradius ist nach einem Businessplan auch dringend geboten, denn Brandenburg, so der Geschäftsplan, sei zu klein, als dass sich das Portal nur an klein- und mittelständische Unternehmen wenden könnte. Überhaupt ist diese Zielgruppe nach Meinung des Verlags Managerseminare, der intensiv den Markt für E-Learning beobachtet, schwierig. „Solche Portale gehen nach einer Phase der öffentlichen Förderung oft kaputt, weil die Nachfrage fehlt. Wenn kleine Unternehmen plötzlich zahlen sollen, sinkt der Bildungsbedarf oft beträchtlich“, sagt Nicole Bussmann, Mitarbeiterin bei Managerseminare.

Das Brandenburger Projekt scheint genau in die von Bussmann beklagte Falle zu laufen. Das Konzept legt sehr viel Wert auf technische Fragen und beschäftigt sich in allgemeiner Form mit Didaktik- und Qualitätsstandards für E-Learning. Für Ulf Collasch, Manager beim Unternehmen für Lernsoftware Ets GmbH, sind solche Ergebnisse ein Beleg für die große Praxisferne des Projektes. Er meint, diese hätte vermieden werden können, wenn Wirtschaftsunternehmen im Projekt ein größere Rolle hätten. „Möglicherweise war es nicht klug, eine Forschungseinrichtung wie das Fraunhoferinstitut mit der Projektleitung zu beauftragen“, so Collasch.

Ein Hauptproblem der Lernportale sei es, so Jürgen Graf vom Verlag Managerseminare, „dass sie zu stark von der Anbieterseite dominiert werden“. Dies zeigt sich dann bei der Technik, die den Anwender oft vergisst, am Vermarktungskonzept, das wenig auf die Nachfrager ausgerichtet ist, oder am Angebot, das wenig attraktiv ist. Ulf Collasch glaubt, dass die Brandenburger Plattform in diesem Punkt kaum einen Fehler ausgelassen habe: „Das Projekt lässt jeden inhaltlichen Bezug zu Brandenburg vermissen. Die Interessen von Nachfragern bleiben wie allzu oft außen vor.“ Collasch plädiert für einen Perspektivwechsel. In Zukunft sollten die Lernwilligen finanziell gefördert werden und nicht mehr die Anbieter von Lernsoftware dadurch, dass sie eine mehr oder weniger kostenlose Infrastruktur in Form einer Plattform vorfinden.