Mit Flex und Meißel gegen die Bauis

Großaufgebot von 1.400 Polizisten räumt Bauwagenplatz Wendebecken. Bauis leisten nach wendländischem Vorbild Widerstand: Bewohner betonieren sich in Fässern ein oder steigen in die Lüfte auf. Polizei zeigt ihre behutsame Seite

von Kai von Appen

Damit hatte die Polizei nicht gerechnet: Als starke Einheiten des bayerischen Bundesgrenzschutzes (BGS) gestern im frühen Morgengrauen zum Sturm von allen Seiten auf den Bauwagenplatz Wendebecken in Barmbek-Nord blasen und mit Leitern von dem Betonrand in das drei Meter tief liegende Becken klettern, regt sich dort kein militanter Widerstand. Die BewohnerInnen hatten sich auf passive Widerstandsformen verständigt, der die Polizei-Kohorten jedoch auch stundenlang in Atem halten sollte.

Das erste Ziel der Ordnungsmacht wird sodann ein besetzter Hochstand, den die BGSler erklimmen. Doch nach mehreren Anläufen geben sie ihr Vorhaben auf. Denn die beiden Aktivisten auf der Plattform haben sich angekettet. Kurz darauf erkennen die BGSler nach dem Abbau zweier Sperrwände das wahre Ausmaß: An zwei acht Meter hohen Dreifußgestellen hängen zwei weitere Bewohner unerreichbar. Und nur wenige Meter weiter liegen sechs Bauis, deren Arme in Fässern einbetoniert sind. Auch am Eingang haben sich drei Personen einbetoniert – es wird eine weitere Baumplattform entdeckt. Den BGSlern ist die Überraschung anzumerken, sie bleiben in Wartestellung.

Indes erteilt ein Vertreter des Bezirksamtes-Nord über Lautsprecher gemäß der „Allgemeinverfügung“ die Weisung, die Wagen binnen einer Stunden vom Platz zu entfernen, sonst würden sie sichergestellt. Und auch Bezirksamtsleiter Mathias Frommann beäugt das Geschehen, nachdem inzwischen auch Hamburger Polizeieinheiten auf dem Platz eingetroffen sind. Insgesamt sind 1.400 Beamte in der Region im Einsatz.

Mit einer Flex wird das erste Fass aufgetrennt, wenig später gehen Polizisten mit Presslufthämmern und Meißeln an die Arbeit, behutsam den Beton zu knacken. „Ratzfatz Bauwagenplatz“, lauten immer wieder die Reaktionen. Diese Prozedur währt gut eineinhalb Stunden – Grund für die Akteure, sich über das Räumungstempo lustig zu machen: „So dauert das noch Wochen.“

Dann wird jedoch die Stimmung rüder. Die Bauis, die die Aktionen nur passiv beobachten, werden gepackt und gewaltsam vom Platz gezerrt. Sie hatten moniert, dass BGSler die Füße der Dreiergestelle stückchenweise absägten – kein ungefährliches Unterfangen. Gleichzeitig wird nun auch die Presse unter Protest vom Platz verbannt, da ein Tieflader zum Einsatz kommen soll. Dieser hebt nach und nach die Betonfässer nebst einbetonierter Personen an und transportiert sie auf ein Nachbargrundstück.

Damit ist der Platz frei, um einen großen Kran zum Einsatz zu bringen. In einem offenen Käfig werden Polizisten in die Bäume gehievt, um die Plattformen zu entern und die Aktivisten runterzuholen. Derweil dröhnen nebenan die Presslufthämmer, um die Leute aus den Tonnen zu befreien.

Am frühen Nachmittag ist das erledigt, während der Abstransport der sichergestellten Gefährte bis in den frühen Abend dauert. Bei den Wendebecken-Bauis ist es außer lahmen Armen und leichten Blessuren zu keinen Verletzungen gekommen. Sie wurden vorläufig festgenommen.