Demos für die beiden Simonas

Zehntausende Italiener gehen am Wochenende für die Freilassung der italienischen Geiseln auf die Straße

ROM taz ■ „Die beiden Simonas“ werden in Italien jene zwei Frauen genannt, die sich seit einer Woche in der Hand irakischer Geiselnehmer befinden. Simona Torretta und Simona Pari haben eine Welle des Mitgefühls und der Solidarität ausgelöst. Am Freitagabend kamen allein in Rom mehr als 80.000 Menschen zusammen, um für ihre Freilassung zu demonstrieren; am Samstag waren in Mailand 15.000 auf der Straße, auch in Florenz, Bologna, Ancona und Dutzenden anderen Städten fanden Solidaritätskundgebungen statt. Überall dabei: die islamischen Gemeinden, die geschlossen die Entführung verurteilen.

Simona Torretta und Simona Pari, beide 29 Jahre alt, waren nicht im Auftrag der Regierung oder italienischer Unternehmen im Irak. Die beiden engagierten Pazifistinnen arbeiten für die Organisation „Un ponte per …“ ( „Eine Brücke nach …“). Diese Organisation ist 1991 entstanden, nach der Niederlage des Irak im ersten Golfkrieg. Seitdem engagierte sich „Un ponte per…“ sowohl mit praktischer Arbeit als auch mit Aufklärungsaktivitäten gegen das westliche Embargo, brachte Medikamente in den Irak und betreute Projekte zur Wiederherstellung der Wasserversorgung in den Städten. Selbst während des US-Angriffs auf den Irak im Frühjahr 2003 verharrten die Ponte-Mitarbeiter in Bagdad; eine von ihnen war Simona Torretta, die seit 1997 für die NGO in der irakischen Hauptstadt arbeitete. Auch öffentlich engagierten sich die „beiden Simonas“ gegen den Irakkrieg: Ihre Briefe aus dem Irak erschienen in den linken Tageszeitungen Il Manifesto und L’Unità. Dennoch scheint es, dass sie trotz – oder wegen? – ihres Engagements am Dienstag letzter Woche gezielt entführt wurden. Am helllichten Tag waren die etwa 15 Entführer in den Sitz der NGO mitten in Bagdad eingedrungen, hatten alle Anwesenden nach ihren Namen gefragt und dann die zwei Italienerinnen, einen irakischen Ingenieur und eine ebenfalls für „Un ponte per …“ arbeitende Irakerin verschleppt.

Das in solchen Fällen zur Regel gewordene Bekenner-Video fehlt bisher. Am Wochenende gab es stattdessen drei über Internet lancierte Ultimaten, in denen die Ermordung der Geiseln angedroht wurde, wenn Italien nicht seine Truppen aus dem Irak abziehe. Die italienische Regierung hegt jedoch große Zweifel an der Authentizität dieser Ultimaten. Für Italien ist der Truppenabzug nicht verhandelbar; ähnlich wie Frankreich im Fall Chesnot-Malbrunot setzt die Regierung in Rom auf intensive Reisediplomatie, damit die islamische Welt Druck auf die Geiselnehmer ausübt.

Derweil diskutieren die im Irak aktiven italienischen NGOs heftig, ob sie vor Ort bleiben sollen. Bisher gingen sie davon aus, dass ihr Engagement für die Bevölkerung – oft genug gegen die Politik der USA – sie vor Angriffen und Entführungen schützte. Diese Annahme war schon durch den Mord an dem linken Journalisten Enzo Baldoni im August erschüttert worden. Mit der Entführung der „beiden Simonas“ wurde sie endgültig hinfällig.

Die palästinensische Autonomiebehörde hat unterdessen zur Freilassung der beiden entführten Italienerinnen sowie der beiden französischen Journalisten aufgerufen. Ein Anführer der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad schloss sich dem Aufruf an.

MICHAEL BRAUN