Abschiebeflieger hebt leise ab

Chartermaschine mit 17 Flüchtlingen startet von Fuhlsbüttel nach Afrika. Europaweite Sammelabschiebung von Hamburgs Innenbehörde im Stillen koordiniert. Flüchtlingshelfer demonstrieren im Flughafen. GAL rügt „Mangel an Transparenz“

von Eva Weikert

Gafar Abdou Tchedre schrie seine Worte, aber sie erreichten niemanden: „Man behandelt uns hier wie Tiere“, gellte es durch den Terminal 4 des Hamburger Flughafens. Und: „In Togo, wo ich herkomme, herrschen Folter und Zensur.“ Doch die Urlauber, die neben Tchedre vor den Schaltern der Tunisair warteten, blickten teilnahmslos auf die Anzeigentafel: 9.45 Uhr, Zielort Djerba stand da. Dem Ferienflieger nach Afrika flog an diesem Montag morgen ein Gefangenentransport voraus. Es war die erste europaweite Sammelabschiebung von Flüchtlingen unter Hamburger Ägide. Rund 30 Menschen demonstrierten gegen den Charter. In Sprechchören riefen sie: „Stoppt den Abschiebe-Irsinn.“

Zum Protest hatten der Flüchtlingsrat und die „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten“ aufgerufen, die am Vorabend den Abflugtermin von dem Anwalt Björn Stehn erfahren hatten. Dessen Mandant sollte auch in den Flieger steigen, Stehn konnte für ihn in letzter Minute aber gerichtlichen Aufschub erwirken. „Der Termin des Charters sollte offensichtlich geheim gehalten werden, um Proteste zu verhindern“, rügte der Anwalt. Wie berichtet, hatte die Innenbehörde zwar eingeräumt, eine europaweite Abschiebeaktion nach Afrika zu koordinieren, Details aber verschwiegen.

Erst nachdem die Maschine gestern um 9.10 Uhr gestartet war, erklärte sich der Senat per Pressemeldung: Demnach wurden 17 Afrikaner aus der Abschiebehaft in den Flieger verfrachtet, der Benin, Burkina Faso und Togo ansteuern sollte. Fünf Abschiebegefangene stammen aus Hamburg. Bei allen handele es sich, so Behördensprecher Norbert Smekal, um „verurteilte Straftäter“ und Menschen, „die aufgrund abgelehnter Asylanträge ausreisepflichtig sind“.

Den 140.000 Euro teuren Flug zahlt laut Smekal größtenteils der Bund. Auch Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Schleswig-Holstein sowie Belgien und die Schweiz hatten Abschiebehäftlinge nach Fuhlsbüttel gebracht. „Weitere angefragte europäische Staaten hatten aktuell keinen Bedarf“, meldete die Innenbehörde. Deren Präses Udo Nagel (parteilos) lobte die „hervorragende Organisation“ der Großabschiebung.

Die verlief abgeschirmt: In Bussen des Bundesgrenzschutzes wurden die Flüchtlinge zu einer Maschine der „Aero Flight“ am Rand des Rollfeldes gebracht. „Um Zuschauer fern zu halten“, vermutete Ralf Lourence von der „Karawane“, wurde die Aussichtsplattform am Terminal 1 gesperrt. Die Flüchtlingshelfer bekräftigten ihre Kritik an der „Desinformationspolitik“ der Innenbehörde, welche einräumte, „im Zweifel sehr kurzfristig“ über Abschiebungen zu informieren. Dadurch aber, warnte Lourence, bliebe keine Zeit für rechtliche Hilfe oder Beistand.

„Abschiebung ist Folter, Asylrecht ist Menschenrecht“, stand auf einem Transparent, das die Demonstranten mitgebracht hatten. Um die Brutalität der Abschiebepraxis vor Augen zu führen, hatten sich Protestler in Handfesseln und Helm auf den Boden gekniet. Die Helme verwendet der BGS nach eigenem Bekunden, um Selbstverletzungen der Flüchtlinge zu verhindern. 1999 erstickte der Sudanese Aamir Ageeb in der Montur.

Die Mahnwache stimmte indes niemanden nachdenklich. „Auf Schwarzafrikaner bin ich schlecht zu sprechen“, meinte ein Mann, der nach Djerba gebucht hatte, „die dealen alle in der Schanze“. Und eine Frau weiter vorne in der Schalterschlange sagte: „Die wissen doch, wenn sie hierher kommen, dass sie wieder abgeschoben werden.“