Größer denken

Die Choreografin Sasha Waltz bleibt mit ihrem Ensemble an der Schaubühne in Berlin, verlässt aber die künstlerische Leitung. Dass ihr das eine Haus zu eng wurde, ließen schon ihre Ausflüge, wie in den Palast der Republik, ahnen

„Sasha Waltz & Guests“: Unter diesem Label arbeitet die Choreografin Sasha Waltz, seit sie 1992 in Berlin begann und Tänzer und Musiker als Gäste zum Austausch einlud. So hieß ihre erste eigene Compagnie, mit der sie 2000 an die Schaubühne Berlin kam. Dort fing Sasha Waltz an, „größer zu denken“, und die Gäste, die sie in ihre Produktionen einbezog, wurden immer mehr. „Sasha Waltz & Guests“ bleibt der Name und das Programm ihres Ensembles, das jetzt einen neuen Kooperationsvertrag mit der Schaubühne geschlossen hat. Aus der künstlerischen Leitung des Theaters aber, die sie gemeinsam mit dem Regisseur Thomas Ostermeier übernommen hatte, tritt sie aus.

Ist das ein Rückzug, mit dem das Schaubühnenprojekt als Haus für Schauspiel und Tanz gescheitert ist? Nein, sagt Sasha Waltz und hat Recht. Denn erstens trug das Tanztheater dazu bei, der Schaubühne ein neues und vielfältiges Publikum zu gewinnen, zweitens hat sich ihre choreografische Handschrift vom Ort beflügelt weiterentwickelt, und drittens bleiben sie ja am Haus, bringen mindestens eine Uraufführung pro Spielzeit heraus und können freier als vorher Gäste einladen. Darüber hinaus aber zieht es sie immer wieder in andere Räume der Stadt. Zuletzt trat ihr Ensemble mit vielen assoziierten Guests im ehemaligen Palast der Republik auf.

Es war der Wunsch einer Vergrößerung des festen Ensembles, der sich innerhalb der Schaubühne nicht durchsetzen ließ. Für mehr Tänzerstellen wäre eine Aufstockung der Zuwendungen notwendig gewesen, die der Berliner Kulturetat nicht hergab, oder eine andere Gewichtung der Mittel im Haus, die aber weder Geschäftsführung noch die Ko-Intendanten mittrugen. Zeitweise war Sasha Waltz deswegen auf dem Sprung nach Frankreich, zumal sich die Stadt Marseille sehr interessiert zeigte. Parallel suchte sie nach Möglichkeiten, in Berlin zu bleiben.

Der neue, langwierig ausgehandelte Vertrag soll das jetzt ermöglichen. Der Etat, den die Compagnie pro Spielzeit vom Theater erhält, liegt unter ihrem bisherigen Anteil, dafür aber dürfen sie die Gastspieleinnahmen behalten. Wichtigste Voraussetzung ist ein Zuschuss von 575.000 Euro an Sasha Waltz & Guests durch den Hauptstadtkulturfond. Damit wird eine allmähliche Vergrößerung des Ensembles von 12 auf 20 Tänzer bis 2006 möglich und der Spielraum, mit anderen Choreografen zusammenzuarbeiten, öffnet sich weiter.

Sasha Waltz und ihr Lebens- und Produktionspartner Jochen Sandig sind erst mal erleichtert; froh, ihre Energien nicht mehr in Besprechungen im Haus zu verlieren, wieder kürzere Wege der Umsetzung zu haben, Experimente nicht aushandeln zu müssen. Dass im Hauptstadtkulturfonds die Mittel für Tanz auf drei Jahre festgeschrieben sind, macht ihnen keine Angst. Die Kooperation mit der Schaubühne ist noch immer eine große Absicherung, verglichen mit dem Leben von Projekt zu Projekt.

Zurzeit probt Sasha Waltz ihre erste Operninszenierung, „Dido und Aenaeas“ von Henry Purcell. Das Konzept entwickelte sie zusammen mit der Akademie für Alte Musik, Koproduktionspartner sind die Staatsoper in Berlin und zwei Theater aus Montpellier und Luxemburg. Es sieht so aus, als ob sie die gewonnene Energie gleich wieder unter die Leute bringt.

KATRIN BETTINA MÜLLER