Deutschland wählt: Bush oder Kerry

Vier Wochen vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl werben beide Lager heftiger denn je um US-Bürger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik. Die Stimmen aus Old Europe könnten bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen womöglich den Ausschlag geben

AUS BERLIN ANDREA CRAWFORD

George W. Bush wäre jetzt nicht Präsident der USA – wenn die Amerikaner, die in Deutschland leben, gegen ihn gestimmt hätten. Doch die meisten von ihnen haben gar nicht gewählt. Die vergangene Präsidentschaftswahl fiel dermaßen knapp aus, dass nun verschiedene Organisationen mit besonderem Elan versuchen, die rund 250.000 US-Bürger in Deutschland für die Wahl am 2. November zu mobilisieren.

Der politischen Couleur entsprechend nennen sich die Gruppen, die es auf dem gesamten Erdball gibt, etwa „Democrats abroad“ oder „Republicans abroad“. Nach groben Schätzungen leben insgesamt drei bis neun Millionen Amerikaner außerhalb der USA. Die „Democrats Abroad“ arbeiten eng mit den „Americans Overseas for Kerry“ (AOK) zusammen, einer Organisation, die von der Schwester des Kandidaten gegründet wurde.

„Wenn man bedenkt, dass nur 537 Stimmen die Wahl in Florida entschieden haben, könnten wir die Wahl allein mit den Stimmen hier in Berlin gewinnen“, sagt Michael Steltzer. Er ist stellvertretender Vorsitzender von „Democrats abroad“ in Berlin. Steltzer lebt schon seit 33 Jahren nicht mehr in den USA, wird aber am 2. November dieses Jahres erstmals seine Stimme per Briefwahl abgeben.

Es ist nicht das erste Mal, dass „Democrats abroad“ und „Republicans abroad“ um Stimmen kämpfen. Viele der Aktivisten, die in den vergangenen Monaten in Kino, Internet und U-Bahn auf Stimmenjagd gegangen sind, haben eine neu erwachte Wahlbereitschaft festgestellt. „In diesem Jahr ist das Interesse enorm viel größer als jemals zuvor“, sagt William Downey, Gründer und Vorsitzender von „Democrats abroad“ in Berlin.

Nach Bushs knappem Wahlsieg vor vier Jahren kam auch Juan Diaz zur Wahlinitiative für Kerry. Mittlerweile ist er Regionalkoordinator. Seit er in Deutschland lebt, wählt er per Briefwahl in seinem Heimatwahlkreis Miami-Dade County in Florida – einem der Wahlkreise, in denen das Ergebnis vor vier Jahren umstritten war. „Ich habe mich so sehr über die Vorkommnisse in Florida geärgert, dass ich dieses Mal etwas unternehmen musste“, sagt Diaz.

Der Irakkrieg ist ein weiterer Grund für das große Interesse an der Präsidentschaftswahl. „Die amerikanische Politik beeinflusst nicht nur das amerikanische Volk, sondern die Menschen auf der ganzen Welt“, sagt Matt Lehitkaw. Lehitkaw ist deutscher Staatsbürger und hat „Vote44“ gegründet. Er hat die Organisation so genannt, weil es im November um die Wahl des 44. US-Präsidenten geht. Lehitkaw ist Musikproduzent in Berlin. Zusätzlich zu seinen Bemühungen, Wähler in Deutschland zu gewinnen, schaltet er zwei Werbefilme in Kinos und Fernsehen in den USA. „Die Botschaft ist: Du hast eine Stimme, nutze sie“, erklärt Lehitkaw, der einige Jahre in New York City gelebt hat. „Ich bitte die Menschen nicht als Deutscher, sondern als Mitglied der Weltgemeinschaft“, sagt er.

Pam Selwyn betreut die Internetseite von Vote44. „Viele Benutzer der Internetseite haben die doppelte Staatsangehörigkeit, die meisten davon haben jedoch noch nie gewählt, und oftmals wissen sie nichts über Briefwahl“, sagt sie. Deswegen bemühen sich die amerikanischen Wahl-Aktivisten besonders um die Deutschen, die auch einen amerikanischen Pass haben.

Dass die US-Wähler in Deutschland tatsächlich allesamt so wählen werden, wie es die Bush-Kritiker erhoffen, wird von der republikanischen Initiative naturgemäß bezweifelt. „Die kritischen Stimmen werden am stärksten wahrgenommen“, gibt Henry Nickel von den „Republicans Abroad“ zu bedenken, „aber ich glaube, dass es eine schweigende Mehrheit gibt.“

Eines aber steht für die Wahlkämpfer beider Lager jetzt schon fest: Die bevorstehende Wahl werde zeigen, so Nickel, dass die im Ausland lebenden US-Bürger ein wichtiger Faktor der amerikanischen Politik geworden sind.

Übersetzung: Sascha Tegtmeier