Entdeckung des Himmels

Suche nach einem flüchtigen Kunstwerk: Nanne Meyers „Himmelszeichen“ in der Kunsthalle

„Wünsche wie die Wolken sind, /schiffen durch die stillen Räume, / wer erkennt im lauen Wind, / ob‘s Gedanken oder Träume?“ Nicht nur romantische Seelen wie Joseph von Eichendorff wurden von diesen flüchtigen Kunstwerken am Himmelzelt inspiriert. Ein anderer Künstler, Ilja Kabakov, empfahl gar, sich einfach auf eine Wiese zu legen und die Wolken zu beobachten – anstatt sich öde Kunst anzusehen.

Wer sich trotzdem in die Bremer Kunsthalle begibt, darf sich ebenfalls an „Himmelszeichen“ erfreuen: Nanne Meyers Blick auf die Welt durch die Wolken.

Wenn man, wie Nanne Meyer, in Hamburg aufgewachsen ist, dann kann man sie sehr gut – all die Schäfchen-, Gewitter-, Schleier-, Blumenkohl- und Regenwolken. Bauschige, kuschelige Gebilde, fluffig und nett anzusehen. Aber es gibt auch die eklig grauen Wolken, die aus jedem Quadratzentimeter der Oberfläche mit Regen spritzen. Reichlich Assoziationsstoff für Kunstwerke.

Ein Zeichnungen-Zyklus Meyers zeigt den Blick aus einem Flugzeug. Zwischen Betrachter und Erde erscheinen die Wolken als weiße Flecken auf der Landkarte. Wie Löcher im Papier.

Andererseits entkleidet Meyer Bauwerke und Gegenstände ihrer natürlichen Umwelt, bringt sie so zum Schweben – wie Wolken. So löst die Künstlerin auf 56 verschiedenen Postkarten das Colosseum aus Rom heraus – durch Einfärben. Und schon steht das Monument nicht mehr auf dem Boden, sondern scheint wie ein riesiges Ufo zu fliegen.

Die schönste Installation der Ausstellung ist „Leicht bewölkt“: Auf karteikartengroßen Papierstückchen sind Wolken und Wolken-Gedanken gesammelt – wie das von Virginia Woolf: „Die Wolken haben sich verdichtet und schoben sich vor die Sonne, so daß Schatten wie graue Tücher über das Meer wehten“. Oder eben Eichendorff. Die Kärtchen schweben über die Wand, formieren sich zu einer riesigen Wolke.

Den Einen regen die himmlischen Ansammlungen verdichteten Wasserdampfs zum Verfassen romantischer Gedichte an, andere – wie Georg Büchner – werden ganz melancholisch, wenn „die Wolken schon drei Wochen von Westen nach Osten ziehen“. Für Hans Magnus Enzensberger sind sie indes das Allheilmittel: „Gegen, Stress, Kummer, Eifersucht, Depression / empfiehlt sich die Betrachtung der Wolken.“ Nun, wenn also eitel Sonnenschein in Bremen herrscht, dann nichts wie hin zur Kunsthalle. ANNA POSTELS

bis 7. November, Di 10 bis 21 Uhr, Mi-So 10 bis 17 Uhr