Experten gegen umfassende Genpatente

Der Nationale Ethikrat hat seine Stellungnahme über Biopatente vorgelegt. Dabei spricht sich nur eine Minderheit gegen umfassende Patente auf Gene und Gensequenzen aus. Das Biopatentgesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden

VON WOLFGANG LÖHR

Der Nationale Ethikrat (NER) ist auch bei der Frage, wie weitreichend Biopatente sein dürfen, zerstritten. Gestern legte das von Bundeskanzler Schröder einberufene Ethikgremium in Berlin seine seit längerem erwartete Stellungnahme zur „Patentierung biotechnologischer Erfindungen“ vor. Wie schon zuvor bei den Stellungnahmen zur Einrichtung von Biobanken und dem Klonen konnten sich die 25 Mitglieder des Ethikrates auch hier nicht auf gemeinsame Empfehlungen einigen. Während eine Gruppe von 14 Ethikratsmitglieder sich für eine schnelle Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zu diesem Thema ausspricht und auch den derzeit vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein nationales Biopatentgesetz begrüßt, wird in dem Minderheitsvotum der Zeitdruck kritisiert und Änderungsbedarf reklamiert

Insbesondere der vorgesehene umfassende Stoffschutz geht 11 Ethikratsmitgliedern zu weit. Sie sprachen sich dafür aus, dass der Umfang eines Patents auf eine konkret beschriebene Anwendung beschränkt sein müsse. Die Isolierung eines Gens oder einer Gensequenz und eine mehr oder weniger vage Funktionsbeschreibung rechtfertige nicht die jahrelange Praxis an den Patentämter, daraufhin schon das gesamte Gen und alle möglichen kommerziellen Anwendungen unter Patentschutz zu stellen, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Patentanmeldung noch nicht bekannt waren.

Hier fordert die Kritikergruppe, den EU-Staaten Frankreich, Spanien und Portugal zu folgen. Sie haben in ihren nationalen Gesetzen den Patentschutz für Gene eingeschränkt. „Die Beispiele zeigen, dass der Spielraum der EU-Richtlinie hier viel größer ist“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Ethikrates, Regine Kollek. Die Hamburger Professorin gehört ebenso wie der Vorsitzende, Professor Simon Simitis, zu den Unterstützern des Minderheitenvotums. Ihrer Ansicht nach sollte das Stoffpatent auch nur für die im Pantentantrag beschriebene kommerzielle Anwendung gelten. Werden später dann mit diesem Gen weitere Erfindungen gemacht, sollte diese nicht von einem ersten Patent schon abgedeckt sein.

Die Minderheitengruppe hofft, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren, im Bundesrat und Bundestag, diese Einschränkungen noch aufgenommen werden. Sie empfehlen aber auch, dass „die Nichtpatentierbarkeit reproduktiver menschlicher Substanzen, menschliche Organe, menschliche embryonale Stammzellen und Stammzelllinien“, gesetzlich festgeschrieben werde. Der vorliegende Gesetzentwurf lasse hier zu viel Interpretationsspielraum und sei nicht eindeutig genug.

Eigentlich hätte Deutschland die EU-Richtlinie schon längst umgesetzt haben müssen. Vier Jahre ist die Frist schon überschrittenen und die EU-Kommission hat auch schon ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Geplant ist, dass der von Rot- Grün vorgelegte Gesetzentwurf noch im November abschließend behandelt wird.