Resoluter Hang zur Politik

Wangari Maathai führt den Kampf für Frieden und Menschenrechte in der grünen Ecke. Der Nobelpreis könnte ihrer Arbeit aber auch gefährlich werden

VON DOMINIC JOHNSON

Pünktlich zur Verleihung des Friedensnobelpreises stand Wangari Maathais Lieblingsthema in Kenias Zeitungen wieder einmal ganz oben. Illegal privatisiertes Staatsland, so berichtet die größte kenianische Tageszeitung Daily Nation seit zwei Tagen über einen bislang vertraulichen parlamentarischen Untersuchungsbericht, sei über die Jahrzehnte an so ziemlich alle Prominenten und Reichen in Kenia gegangen – Politiker, Geschäftsleute, Kirchen, ausländische Botschaften. Die Praxis der Präsidenten Jomo Kenyatta und Daniel arap Moi, sogar geschützte Wälder an Privatleute zu verteilen, die diese dann zu lukrativem Bauland machen konnten, war lange Zeit ein zentraler Motor der Korruption in Kenia und band das Establishment in einer kriminellen Verschwörung an die Regierung. Und im Widerstand dagegen wurde Wangari Maathai berühmt – als Umweltschützerin, als Gründerin des „Green Belt Movement“ zur Wiederaufforstung geschädigten Landes in den 80er-Jahren, als führende Aktivistin der kenianischen Demokratiebewegung der 90er-Jahre, seit dem demokratischen Machtwechsel in Kenia Ende 2002 auch als Vizeumweltministerin und seit gestern als Trägerin des Friedensnobelpreises.

Streitbar war die 1940 geborene Maathai, ausgebildete Tierärztin und Zoologin mit einem resoluten Hang zur praktischen Politik, schon immer. Aber es wäre genau falsch, die Umweltaktivistin und damit ihren Nobelpreis in die grüne Ecke zu stellen. „Afrikas Baumfrau“ und ähnliche Charakterisierungen machen Wangari Maathai zu Hause eher lächerlich. Man wird ihr damit auch nicht gerecht, denn sie selbst stellt ihr Handeln in einen politischen Rahmen: den unerschrockenen, risikoreichen Kampf afrikanischer Zivilgesellschaftler gegen Diktatur, Rechtlosigkeit und die Zerstörung von Lebensgrundlagen. Maathai konzentriert sich zwar aufgrund ihrer Sachkenntnis auf den Kampf gegen Umweltzerstörung, aber schon 1995 nannte sie in einem Grundsatzvortrag die „Abwesenheit von Frieden und Sicherheit“ das größte Hemmnis für die Entwicklung Afrikas. Korrupte Herrscher, die „ihr eigenes Volk im Stich lassen“, führen auf dem Rücken ihrer Völker Kriege „um politisches Überleben, um ökonomische Kontrolle und um schwindende natürliche Ressourcen“, sagte sie.

Es geht bei Wangari Maathais Ehrung aber auch um eine überfällige Anerkennung der Reformbemühungen Kenias seit dem historischen Machtwechsel 2002, dem ersten in Kenia seit der Unabhängigkeit 1963. Viele der anfänglichen Reformbemühungen – eine neue Verfassung oder ein Ende der Korruption – sind im Sande verlaufen, aber gerade deswegen verdienen die wenigen echten Reformer in der neuen Mannschaft stärkere Unterstützung. Für Maathai war der politische Machtwechsel auch ihr persönlicher Wechsel von der Zivilgesellschaft in die Politik.

Aus dem Stand gewann sie ihren Heimatwahlkreis Tetu mit 98 Prozent und wurde Vizeumweltministerin, wobei sie bis heute ein höheres Profil hält als ihr Chef Newton Kulundu. In einem Interview nach ihrer Wahl sagte sie, sie wolle „das Leben des Volkes verändern, vor allem unsere Wirtschaft wiederbeleben und den Menschen wieder ein Gefühl von Sicherheit geben, ein Gefühl von Zugehörigkeit zu diesem Land, damit sie sich nicht mehr so vom Staat ausgegrenzt und terrorisiert fühlen“.

Gemessen daran hat Maathai als Politikerin wenig erreicht. Sie hat sich vor allem in einem fruchtlosen Streit um die Abschaffung des so genannten Shamba-Systems verzettelt – ein jahrzehntealter Brauch, wonach Bauern in staatlichen Wäldern Lebensmittel zum Eigenbedarf anbauen und Vieh weiden dürfen, solange sie woanders im Staatsauftrag Bäume pflanzen. Maathai denunziert das als staatlich sanktionierte Zerstörung der Wälder: Diese würden durch Monokulturen denaturiert. Also verhängte die Vizeministerin ein Verbot. Minister Kulundu setzte es wieder außer Kraft.

Angesichts des Chaos begann Maathai Anfang dieser Woche erstmals, lautstark über einen Rückzug aus der Politik nachzudenken. Der Nobelpreis wird nun ihre Kritiker in die Schranken weisen, aber wenn sie nicht aufpasst, könnte er auch ihre Karriere ruinieren. Die berühmteste Kenianerin war Maathai sowieso schon. Jetzt wird sie auch die berühmteste Afrikanerin seit Winnie Mandela. Mit einem Posten als Vizeministerin verträgt sich das nicht, lebende Denkmäler sind mitten in Kenias demokratischem Aufbruch nicht gefragt. Im Leserforum der Daily Nation war die erste Reaktion auf die gestrige Nachricht eine als Napoleon-Zitat gekennzeichnete Spitze: „Auf Lorbeerblättern ruht man schlecht.“