Demokratisierung gescheitert

Kamerun war einst das Land mit der lebendigsten Oppositionsbewegung der Region. Die Wiederwahl von Präsident Paul Biya liegt auch an der politischen Resignation

Nur zwei Drittel der Wahlberechtigten haben auch Wahlkarten erhalten

BERLIN taz ■ Für ein Land, das zwischen den Krisenherden Nigeria und Kongo liegt, macht Kamerun sehr wenig Schlagzeilen. Geht es nach Präsident Paul Biya, soll das auch so bleiben: Der 71-jährige Autokrat, der sein Land seit 22 Jahren regiert, will für eine fünfte Amtszeit wiedergewählt werden. An seinem Sieg bei der gestrigen Wahl besteht kein Zweifel: Kameruns Präsidentschaftswahlen sind selten wegen des Ergebnisses interessant, sondern wegen der Aufschlüsse, die sie über die Lage der politischen Kultur in einem Land abgeben, das oft wie ein Seismograf die Stimmungslage in ganz Zentralafrika widerspiegelt.

Biya ist einer der wenigen afrikanischen Herrscher alten Stils, die eine Demokratisierung unbeschadet überstanden haben. Kamerun, ein Land mit einer Geschichte extremer Gewalt gegen Regimegegner und blühender Korruption, hatte Anfang der 90er-Jahre eine der lebendigsten Demokratiebewegungen Afrikas, und bei der ersten Mehrparteienwahl 1992 gewann Biya gegen Oppositionsführer John Fru Ndi nur mittels plumper Wahlfälschung. 1997 boykottierte die Opposition, weil sie das nicht noch mal erleben wollte, und eigentlich sollte 2004 alles anders werden: Eine starke, geeinte Opposition würde endlich über einen verbrauchten Präsidenten triumphieren, so wie zum Beispiel 2002 in Kenia.

Daraus ist nichts geworden. Zum einen ist Kameruns Opposition zerstrittener denn je. Die meisten Aktivisten der Demokratiebewegung der frühen 90er-Jahre sind tot, im Exil oder haben sich enttäuscht zurückgezogen. Nur Fru Ndi, der große alte Kämpe aus dem anglophonen Westen des Landes, ist mit seiner „Sozialdemokratischen Front“ (SDF) immer noch dabei und zieht auch diesmal wieder gegen Biya ins Feld. Allerdings hat er dafür das Oppositionsbündnis „Koalition für Wiederaufbau und nationale Versöhnung“ (CRRN) sprengen müssen, das eigentlich einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen wollte: Weil die CRRN Mitte September statt Fru Ndi den altgedienten Exminister Adamou Ndam Njoya präsentierte, zog Fru Ndi seine Partei aus dem Bündnis zurück und kandidiert alleine. Nun ist die Einheit der Opposition dahin, der Wahlsieg Biyas – es gibt nur einen Wahlgang, sodass die relative Mehrheit zum Sieg genügt – sicher. Inzwischen gibt es 16 Präsidentschaftskandidaten, viele davon „Clowns“, wie eine Oppositionszeitung verbittert anmerkt.

Aber Biya, ein notorisch vorsichtiger Politiker, und seine einstige Staatspartei „Demokratische Sammlung des kamerunischen Volkes“ (RDPC) überlassen nichts dem Zufall. Es gibt auch bei dieser Wahl keine unabhängige Wahlkommission, und weithin wird mit massiven Manipulationen gerechnet. Die größte Manipulation der Wahl ist die einfachste: Viele Kameruner können nicht wählen. Von 15 Millionen Einwohnern sind 7 bis 8 Millionen volljährig, aber nur rund 4,6 Millionen stehen im Wahlregister – kaum mehr als 1992. Von den 4,6 Millionen haben nur zwei Drittel Wahlkarten erhalten und sind damit wahlberechtigt. Um das aufzuwiegen, haben manche Wähler mehrere Wahlkarten bekommen. Bei den letzten Parlamentswahlen 2002 bekamen manche besonders regierungstreuen Wähler besonders viele Karten, damit sie besonders viele Stimmen abgeben konnten. Die staatliche Wahlkommission hat überdies aus „Sicherheitsgründen“ 6 Millionen Wahlzettel drucken lassen, die sie sicherlich nicht verkommen lassen will.

Kein Wunder, dass heute in Kamerun politische Resignation vorherrscht. Alle führenden Kandidaten sind über 60, die junge Generation hat sich von der Politik längst abgewandt. Selbst Oppositionelle erkennen neidlos – oder doch eher neidisch – an, dass die RDPC den einzigen funktionierenden politischen Apparat im Land besitzt. Von der Vitalität der Demokratiebewegung ist die Politik unberührt geblieben. So werden Wahlen eine reine Pflichtübung.

DOMINIC JOHNSON