Benzintourismus sorgt für neue Pleiten

An der deutschen Ostgrenze droht mehreren hundert Tankstellen die Insolvenz. Grund ist der billigere Sprit in Polen. Italien hat das Problem mit niedrigeren Steuern für Grenzregionen in den Griff bekommen. In Sachsen ist ein solcher Schritt nicht in Sicht

VON MICHAEL BARTSCH

Ralf Nothelfer, Tankstellenbetreiber in Bad Muskau an der polnischen Grenze, könnte einen Helfer in der Not dringend gebrauchen. Seit 1996 sind seine Umsätze um die Hälfte gesunken. Privatkunden fahren längst nach Polen, wo der Sprit rund 25 Cent weniger pro Liter kostet und der Staat nicht so viel mitverdienen will. Im Juni musste er Insolvenz anmelden.

700 bis 900 Stationen in Grenznähe sind von einem ähnlichen Schicksal bedroht, schätzt Jürgen Ziegner vom Zentralverband des Tankstellengewerbes ZTG. Es betrifft auch einen Streifen in Bayern, wo Österreich eine ähnliche Sogwirkung ausübt wie Luxemburg im Westen. Das Problem wird verschärft durch die steigenden Rohölpreise und die Erleichterungen nach dem EU-Beitritt Polens und Tschechiens. Damit ist für Lkws die Begrenzung auf 200 Liter mitgeführten Kraftstoffs entfallen.

Eine Untersuchung der Leipziger Universität registriert für einen grenznahen 10-Kilometer-Streifen aktuelle Umsatzrückgänge von durchschnittlich 30 Prozent, in Richtung Polen sogar 40 Prozent. In den 90er-Jahren ist auch wegen verschärfter Umweltauflagen viel investiert worden. Vor allem Freie Tankstellen säßen nun regelrecht in der „Investitionsfalle“, sagt Jürgen Ziegner. Dafür blüht das Gewerbe jenseits der Grenze. In ersten Fällen, so bei Forst an der Neiße und im polnischen Streifen zwischen Zittau und Hradek, bedienen schon Deutsche an polnischen Tankstellen.

Eine europaweite Angleichung der Steuersätze zur Vermeidung des Tanktourismus ist kurzfristig nicht in Sicht. Eine Aussetzung der Ökosteuer, wie sie beispielsweise Jochen Wilhelm als Geschäftsführer des Mitteldeutschen Tankstellen-Fachverbandes fordert, erscheint illusorisch. Bleibt noch das „italienische Modell“, eine Art neuer Zonenrandförderung. Die FDP schlug schon im Sommer dieses Jahres eine ermäßigte Mineralölsteuer für die Bewohner grenznaher Gebiete vor. Pate steht das Beispiel Italien, wo in der Nähe zur slowenischen Grenze die Tankstellenumsätze ebenfalls auf ein Zehntel gesunken waren. Mit einer Chipkarte, die den Anwohnern Rabatte zubilligt, wurden die Verluste wieder ausgeglichen.

Die Genehmigung für dieses Modell läuft allerdings 2006 aus. Jochen Wilhelm vom Mitteldeutschen Fachverband liegt aber ein Rechtsgutachten vor, wonach eine solche Ermäßigung nicht der EU-Energiesteuerrichtlinie und dem Gleichheitsprinzip des deutschen Grundgesetzes widerspricht. „Finanzminister Eichel müsste doch froh sein, wenn er zumindest etwas anstatt gar nichts an Steuern einnimmt“, sagt Jürgen Ziegner vom ZTG.

Die sächsische Landesregierung ist dem FDP-Vorschlag noch nicht ausdrücklich beigetreten. Ministerpräsident Georg Milbradt hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) lediglich schriftlich gebeten, aktiv zur Lösung des Problems beizutragen. Derzeit harrt im Hause Eichel ebenfalls eine Kleine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion zum Tanktourismus der Beantwortung.