Mehr als nur ein Kreuzchen machen

Mehr Mitsprache bei den nächsten Bürgerschaftswahlen verspricht eine parteiübergreifende Initiative von SPD, CDU, FDP und Grünen, angestoßen von der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“. Über die konkreten Details wird aber noch gestritten

Bremen taz ■ Bei der nächsten Wahl wird alles anders. Die Parteivorsitzenden von SPD, CDU, FDP und den Grünen haben sich darauf verständigt, dass schon die nächste Bremer Bürgerschaft nach einem demokratischeren Verfahren gewählt werden soll.

Noch in diesem Jahr wird das Parlament einen nicht-ständigen Ausschuss einsetzen, der sich mit den konkreten Änderungen im Wahlrecht befassen soll. Neben dem grünen Landesvorstandssprecher Dieter Mützelburg und dem stellvertretenden FDP-Parteivorsitzenden Magnus Buhlert haben auch die Landesparteichefs von SPD und CDU, Carsten Sieling und Bernd Neumann betont, dass sie den WählerInnen „mehr Mitsprachemöglichkeiten“ einräumen wollten.

Auf dem Tisch liegt eine Gesetzinitiative der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“. Sie hat in Hamburg eine Reform des Wahlrechts per Volksentscheid durchgesetzt und will diesen Erfolg nun auf Bremen übertragen. Der Entwurf sei ein „interessanter Vorschlag“, befand Carsten Sieling, aber nur eine „Beratungsgrundlage“. Bei der CDU sieht man das ähnlich. Der Entwurf der Bürgerinitiative sei ein „unterstützenswertes Anliegen“, so Sprecher Michael Ihly. Zu konkreten Details wolle man sich aber noch nicht äußern. Eine Blamage wie in Hamburg will man an der Weser aber offenkundig vermeiden. Dort hatten SPD und CDU zunächst gegen eine Reform des Wahlrechts gekämpft und waren am Ende mit einem eigenen Entwurf gescheitert. „Unklug“ sei das gewesen, so Sieling. Es sei „kurzsichtig“, eine Wahlreform abwehren zu wollen, weil sie den Einfluss der eigenen Partei schwäche.

Strittig ist in Bremen vor allem der Zuschnitt der Wahlkreise. Das vorliegende Modell fasst jeweils drei bis sechs Stadtteile zusammen, in denen zwischen 40.000 und 75.000 Wahlberechtigte leben. Zwar sollen größere Wahlkreise nach dem Willen von „Mehr Demokratie“ auch mehr Abgeordnete stellen dürfen. Die SPD sieht dennoch die Chancengleichheit der Stimmen in Gefahr, gerade mit Blick auf das kleinere Bremerhaven.

Eine Einigung sei angesichts solcher Vorbehalte „schwer“, glaubt Mützelburg. Die Grünen behielten sich jedoch vor, gemeinsam mit der Bürgerinitiative auch in Bremen den Weg des Volksentscheids zu gehen – sofern sich das Parlament nicht auf einen Kompromiss einigen könne. Dass die BremerInnen einem Volksentscheid zustimmen würden, bezweifelt Mützelburg nicht. „So oder so sind die Chancen auf ein demokratischeres Wahlrecht also sehr groß“.

Dass mit einer Reform des Wahlrechts auch die Wahlmüdigkeit bekämpft werden kann, glaubt der grüne Parteichef indes ebenso wenig wie Carsten Sieling von der SPD. „Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern sprechen nicht für eine erhöhte Wahlbeteiligung“.

Für den 2. Dezember hat die Bremer Bürgerschaft auf Initiative ihres Präsidenten Christian Weber (SPD) eine öffentliche Anhörung zur Wahlrechtsreform angesetzt. Zu ihr sind neben einem Vertreter von „Mehr Demokratie“ und dem Landeswahlleiter aus Hamburg, Willi Beiß, auch der Tübinger Verfassungsrechtler Ferdinand Kirchof und der frühere Bundesdatenschutzbeauftragten und Hamburger Rechtsprofessor Hans Peter Bull eingeladen. Jan Zier