Zugang zu Archiven in Rumänien gefordert

Eine internationale Expertenkommission legt heute in Bukarest ihren Bericht über den Holocaust vor

BERLIN taz ■ Wer den Holocaust in Rumänien während des Zweiten Weltkrieges leugnet, hat es jetzt schwarz auf weiß und ganz offiziell: Die rumänischen Machthaber seien die Haupttäter des Holocaust, bei dem ab 1941 in Rumänien und den von Rumänien kontrollierten Gebieten schätzungsweise bis zu 410.000 Juden und 25.000 Roma ermordet wurden. Dabei habe sich das Regime des Militärdiktators Ion Antonescu auf bereits vorhandene antisemitische und faschistische Ideologien stützen können. Außer Deutschland sei kein Land in einem solchen Ausmaß in Massaker an Juden involviert gewesen.

So lauten nur einige der Schlussfolgerungen des Berichtes einer Kommission zur Erforschung des rumänischen Holocaust, den Rumäniens Staatschef Ion Iliescu heute in Bukarest vorstellt. Iliescu hatte die 30-köpfige internationale Expertenkommission unter dem Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel im November vergangenen Jahres eingesetzt.

Pünktlich vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 28. November liegt der Bericht nun vor. Doch was Iliescu, der nicht wieder antritt und gerne als Vergangenheitsbewältiger in die Geschichte eingehen möchte, auf den fast 1.000 Seiten nachlesen kann, dürfte ihm kaum behagen.

So verweist die Kommission auf den Umstand, dass es seit dem Ende des Kommunismus in Rumänien mehrere Fälle gegeben habe, wo Kriegsverbrecher rehabilitiert wurden. Namentlich nennt sie Radu Dinulescu und Gheorghe Petrescu – zwei Offiziere, die in Ostrumänien an der Ermordung von Juden beteiligt waren und deren Rehabilitierung der Oberste Gerichtshof kürzlich bestätigte. Des weiteren mahnt die Kommission an, vorhandene Gesetze anzuwenden oder zu verbessern. Zwar ist seit 2002 eine Dringlichkeitsverordnung in Kraft, die faschistische, rassistische und xenophobe Organisationen und Symbole verbietet. Wie die Holocaust-Leugnung selbst steht auch die Ehrung von Kriegsverbrechern wie Antonesu, der 1946 hingerichtet wurde, unter Strafe. Dennoch sind viele Straßen nach Antonescu benannt und sein Porträt hängt in öffentlichen Gebäuden.

Abschließend fordert die Kommission die rumänische Regierung auf, ein ständiges Gremium einzurichten, das über die Umsetzung des Berichtes wacht und die Forschung über den Holocaust weiter vorantreibt. Dazu, so die Kommission, sei der unbeschränkte Zugang zu den Archiven der rumänischen Regierung unbedingte Voraussetzung.

Doch genau hier liegt ein Knackpunkt. So war der Kommission jener unbeschränkte Zugang zugesichert worden. Die Realität sah allerdings anders aus. „Die Archive der Verwaltungsbehörde der Securitate waren nur bedingt zugänglich. Das Gleiche gilt auch für die Archive der katholischen Kirche in Temeswar“, sagt ein beteiligter Experte.

Für ihn ist die Arbeit der Kommission lediglich ein Anfang für die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Rumänien, die nur mit aktiver Unterstützung der rumänischen Behörden fortgeführt werden kann. Inwieweit auch die Bevölkerung bereit ist, sich auf diesen schmerzhaften Prozess einzulassen, wird auch von den Massenmedien abhängen. „Die machen noch oft offene Propaganda für das Antonescu-Regime“, so der Experte.

Erst Anfang November trat Ion Coja, Chef der Liga zur Bekämpfung des Antirumänismus und Autor mehrerer Bücher, in denen der Holocaust geleugnet wird, im Fernsehen auf. Der Bukarester Universitätsprofessor beschimpfte die Kommission aufs Übelste und ist fest entschlossen, mit einer Gegenkommission nachzuweisen, dass es in Rumänien keinen Holocaust gegeben hat. Konsequenzen hatte sein Auftritt bisher keine.

BARBARA OERTEL