Milli Görüs lässt Schily abstürzen

Ehemaliger Islamist muss vom Flughafen München wieder eingestellt werden, so das Bundesverwaltungsgericht. Nebenbei wird damit ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitspaktes von Innenminister Otto Schily beseitigt. Der schweigt bisher

aus LEIPZIG CHRISTIAN RATH

Mitglieder der islamistischen Vereinigung Milli Görüs sind doch kein Sicherheitsrisiko für den Flugverkehr. Das entschied gestern das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Der Flughafen München muss deshalb einen entlassenen Arbeiter wieder einstellen. Zugleich kippten die Richter damit eine im Herbst 2001 beschlossene Verordnung zur Flughafensicherheit.

Der Kläger Bülent U. ist als Kind türkischer Eltern in Deutschland geboren und aufgewachsen. Seit vier Jahren hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Auf dem Flughafen München arbeitete er bei der Be- und Entladung von Flugzeugen. Zugang haben dort nur Personen, die bei einer Sicherheitsüberprüfung als „zuverlässig“ eingestuft wurden. Zugleich war U. jedoch auch bei Milli Görüs aktiv, einer Vereinigung mit knapp 30.000 Mitgliedern, die als verfassungsfeindliche Organisation gilt, weil sie einen Scharia-Staat in der Türkei und weltweit anstrebt.

Deshalb wurde U. vor zwei Jahren die Zugangsberechtigung zum Flughafen entzogen – faktisch bedeutete das den Verlust seines Arbeitsplatzes. U. beruft sich darauf, dass er bei Milli Görüs lediglich Ansprechpartner für Jugendliche im Ortsverein Augsburg war. „Ich habe mit ihnen vor allem Fußball gespielt“, sagte U. vor Gericht.

Bei den bayrischen Gerichte hatte U. dennoch keinen Erfolg, sie hielten ihn für ein Sicherheitsrisiko. Anders nun das Bundesverwaltungsgericht: „Da Milli Görüs ihre Ziele nicht mit Gewalt verfolgt, besteht keine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs, wenn Milli-Görüs-Mitglieder am Flughafen arbeiten“, erklärte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Driehaus. Es sei nicht ersichtlich, wie U. in Flugzeugentführungen oder Sabotageakte verwickelt werden könnte.

Der bayerische Landesanwalt Magnus Riedl hatte einen strengeren Maßstab gefordert. „Wer am Flughafen arbeiten will, darf keinen Fleck auf der weißen Weste haben“, sagte er. Schon die Mitgliedschaft in einer verfassungswidrigen Organisation begründe die Vermutung, dass U. unzuverlässig sei. Riedl stützte sich dabei auf eine Verordnung der Bundesregierung vom Oktober 2001.

Doch diese „Luftverkehrs-Zuverlässigkeits-Überprüfungs-Verordnung“ erklärte das Gericht gestern für „unwirksam“. Der Grund ist ein banaler handwerklicher Fehler, für den Innenminister Otto Schily und der damalige Verkehrsminister Kurt Bodewig (beide SPD) verantwortlich sind. Sie hatten in der Verordnung Dinge geregelt, die nicht vom Gesetz gedeckt waren. Damit beseitigte das Gericht immerhin einen wesentlichen Bestandteil des ersten Sicherheitspakets der Bundesregierung, das nach den Anschlägen vom September 2001 beschlossen wurde.

Das Innenministerium wollte gestern noch nicht sagen, ob es versuchen wird, den Fehler wieder auszubügeln. Es müsste dann das im Oktober beschlossene Luftsicherheitsgesetz, das noch nicht einmal in Kraft getreten ist, gleich wieder ändern. Etwa 250.000 Menschen arbeiten bundesweit im Flugverkehr. Gerade in den technischen Bereichen der Flughäfen sind auch viele Muslime tätig. U.s Rechtsanwalt Heinrich Wenckebach betreute allein am Flughafen München zehn Milli-Görüs-Mitglieder, die inzwischen alle wieder dort arbeiten können. Nach seinen Informationen hatte auch nur der bayerische Verfassungsschutz Sicherheitsbedenken gegen Milli-Görüs-Aktivisten.

Ein Mitarbeiter des Münchener Landesamts für Verfassungsschutz sah darin keine harte bayerische Linie. „Wir haben einfach mehr Personal als andere Ämter und können deshalb unsere Aufgaben besser erfüllen.“ (Az.: 3 C 33.03)

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