Zu Hause bist Du König

„Wie wohnen – von der Lust und Qual der richtigen Wahl“ heißt die aktuelle Ausstellung im Bremer Wilhelm Wagenfeld Haus. Dabei sind Designfragen im Privaten immer Lust – und nie Qual

Zu Hause! Da bist Du König. Oder Prinzessin. Also raus aus der böse schnöden Arbeitswelt. Rückzug in das eigene Heim. Rein in die „elegante Gemütlichkeit“, das „Leben wie die Zukunft“ – genieße das „intelligente Wohnen“, den „neuen Look Behaglichkeit“. So titeln gerade die Wohnzeitschriften im Kioskregal, wollen sich als Ratgeber oder Geschmackserzieher profilieren und versprechen Orientierung, Inspiration, ja sogar Lebenshilfe gegen die neue Beliebigkeit, also die globalisierte Vielfalt innenarchitektonischer Möglichkeiten.

Wer weiß schon so ganz allein daheim, wie das geht, zu Hause in der Art zu wohnen, dass es sich angenehm anfühlt – und schön aussieht? Sowie als „modern und repräsentativ“ empfunden werden kann. So bezeichneten jedenfalls jüngst die Leser in einer Umfrage von „Schöner Wohnen“ den gewünschten Stil ihrer Wohlfühloasen. Ganz konkret bedeutet das: helles Holz, Glas, Leder, Metall, Naturstein und Korb. Als hätte man nur mal eben den aktuellen Ikea-Katalog durchgeblättert. Warum findet eine Mehrheit das schön? Weil der schwedische Konzern die größte Werbemacht hat? Oder sind seine Designer nur einfach schneller näher an den gesellschaftlichen Trends?

Welches sind die Mechanismen, die einst gemusterte Bad-Kacheln als Weisheit letzten Schluss erscheinen ließen, während heute zwischen monochrom schlichten Kacheln geduscht wird? Wie gestalte ich meine private Umwelt - und was macht das aus mir? Das sind so Fragen, die in im aktuellen Ausstellungskatalog des Wilhelm Wagenfeld Haus gestellt werden. Thema: „Wie wohnen: Von der Lust und Qual der richtigen Wahl – Ästhetische Bildung in der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts“.

Dass es immer nur eine richtige Wahl und immer nur eine gebildete Form gibt, haben Designer, Unternehmer, Künstler immer behauptet. Schließlich war es ihr Job, die eigenen Produkte als ästhetisch und moralisch hochwertig anzupreisen. Immer neue Formen als immer neue Moden für immer neue Zeiten zu verkaufen.

Aber was spricht anno 2004 gegen dunkle Hölzer, Hochglanzlack und altdeutsche Möbel? Was gegen Matratzenlager statt Futon? Nichts – außer der Mode, dass alles licht, luftig, leicht, also Ikea zu sein und dem bürgerlich-puritanischen Ideal von Sachlichkeit, Ehrlichkeit, Funktionalität und Langlebigkeit zu dienen habe. Ergibt sich daraus nur die eine schöne Form? Natürlich nicht, denn es gibt immer endlos Möglichkeiten, ein Objekt zweckgerichtet zu gestalten.

Wie kann man dann Qualität im gestalterischen Bereich erkennen? Was die verwendeten Materialien und die Verarbeitung betrifft: kein Problem. Aber beim Design? Das Schöne, Wahre, Angemessene ist kein vor der Anschauung vorhandener Wert an sich, sondern ein frei hinzuassoziierter. Da geht es um einen auf Sehen und Vergleichen beruhendes Geschmacksurteil. Das hat jeder. Damit trifft jeder die richtige Wahl. Das ist Lust – nie Qual.

Und die Ausstellung zum Katalog? Langweilig. Vitrinen mit Plakaten, Katalogen, Heften, Zeitschriften voller Design-Pädagogik, deren Folgen jeder aber auch in Omas Kochbuch oder Mutters Fotoalbum nachvollziehen kann. Von der deutschen Warenkunde über Lobpreisungen der Bauhaus-Klarheit hin zu Schriften wie „Formschöne Geschirre nach den Richtlinien des Reichsheimstättenministeriums der Deutschen Arbeitsfront“. Statt Aufklärung regiert heute Lifestyle: mit fotografisch geschickt inszenierten Stimmungen werden in den Publikationen Formfragen zu Imagefragen. Aber zum selbst Erleben der regierenden Ästhetiken bietet die Ausstellung nichts.

fis

bis 3. April 2005, Mi - So 10 bis 18 Uhr, Di 15 bis 21 Uhr