Deutsche Eier und marschierende Forellen

Die Historikerin Barbara Kirschbaum blättert auf Einladung des Kölner „Jugendclub Courage“ in Ausgaben des „Westdeutschen Beobachters“. Im Nazi-Hetzblatt inserierten seit 1925 viele Kölner Traditionsunternehmen

Köln taz ■ Werbeslogans sind immer Ausdruck des Zeitgeistes und der gesellschaftlichen Entwicklung. Ein besonderes Kapitel der Kölner Werbegeschichte hat am Sonntag Barbara Kirschbaum aufgeschlagen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des antirassistischen „Jugendclub Courage“ blätterte die Mitarbeiterin des Kölner NS-Dokumentationszentrums in den Anzeigenseiten der NSDAP-Propagandazeitung Westdeutscher Beobachter. Das Hetzblatt erschien seit Mitte der 1920er Jahre als regionale Ergänzung zum Völkischen Beobachter im Gau Rheinland.

Viele Kölner Unternehmen, deren Namen noch heute bekannt sind, hatten keinerlei Berührungsängste und inserierten bereits frühzeitig in dem Blatt. Das Millowitsch-Theater zählte schon 1927 ebenso zu den Anzeigenkunden wie der Lebensmittelkonzern Kaisers Kaffee.

In dieser Zeit prägte die Wirtschaftskrise das Kölner Alltagsleben. Die 60 Suppenküchen in der Stadt reichten bei weitem nicht aus, um das Elend aufzufangen. In Köln kam es zu Hungerdemos und Plünderungen. Der Westdeutsche Beobachter konnte derweil mit einer üblen Hetzkampagne gegen die jüdische Fleischgroßhandlung Katz-Rosenthal die Zahl seiner Leser dramatisch steigern. 1928 erreichte das Nazi-Blatt eine tägliche Auflage von 30.000 Stück. Kein Wunder also, dass das Bekleidungshaus C&A mit ganzseitigen Annoncen warb und das große Kaufhaus des deutschnational gesinnten Carl Peters passende Geschenke zum Namenstag feilbot.

Mit der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933 änderte sich schlagartig der Ton in den Inseraten. Die Kölner versuchten mit der neuen Bewegung ihren Reibach zu machen. „Hausfrauen verlangen deutsche Eier“ warb zum Beispiel das Käsehaus Wingenfeld. Selbst Bachforellen „marschierten“ in den Anzeigen. Das „Kölner Hosenhaus“ in der Ehrenstraße bot SA- und SS-Hosen an. Braune Hemden und Fahnenstoff waren plötzlich gefragt. „Lampen Schürmann“ erklärte gar die „deutsche Lampe“ zum „Symbol der nationalen Gesinnung“. Das ging so weit, dass sich schließlich der „Kampfbund für deutsche Kultur“ zusammen mit Kölner Künstlern mit der Kampagne „Fort mit dem nationalen Kitsch“ gegen die teils skurrile Geschäftemacherei und die mögliche Verballhornung von Nazi-Symbolen wendete.

Die Firma Persil warb im Westdeutschen Beobachter mit ihrem „Volkswaschmittel Persil“. Selbst der neue Citroen war plötzlich „ganz deutsch!“. Unterdessen war den Kölnern für ihren wirtschaftlichen Vorteil jedes Mittel Recht. Die Denunziation hatte einen idealen Nährboden und griff um sich. So häuften sich die „Aufklärungsanzeigen“ im Westdeutschen Beobachter. Kölner Ärzte wandten sich darin gegen Gerüchte, sie seien jüdisch.

Schuhgeschäfte oder Apotheken warben als „christliche“ Unternehmer, Juden wurden hingegen schon früh in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, ihre Geschäfte übernommen. „In Köln hat sich vieles geändert!“, inserierte das Möbelhaus Aldenhoven in der Krebsgasse als „deutsches Geschäft“ nach der Übernahme der „Fa. Möbel-Stein“. In der Kriegszeit kämpfte Kupferberg Gold für „gute Laune“ und die Aachener Firma Trommsdorff pries während des Winterfeldzugs ihre „Hildicon-Salbe gegen Frostbeulen und Ungezieferbisse“ an. Zum Ende des Krieges nahmen dann die Todesanzeigen im Westdeutschen Beobachter immer größeren Raum ein. Thomas Spolert

Barbara Kirschbaum: „Der neue Citroen – ganz deutsch!“. Kölner Anzeigen im „Westdeutschen Beobachter“ von 1925 bis 1945, Emons, Köln 2002