Migrantenkinder sind die großen Verlierer

Die neue Pisa-Studie zeigt erneut: In keinem anderen Land werden SchülerInnen mit Migrationshintergrund derart benachteiligt wie hierzulande

Verpflichtende Sprachkurse, mehr Förderunterricht, verstärkte Elternarbeit: In allen Bundesländern wird derzeit mit Fördermaßnahmen für Migrantenkinder experimentiert. Viel genützt hat es bislang nicht. Auch die zweite internationale Pisa-Studie zeigt: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien sind die großen Verlierer des deutschen Bildungssystems. „In keinem anderen Land sind die Nachteile für Kinder mit Migrationshintergrund so groß wie in Deutschland“, sagte der internationale Pisa-Koordinator Andreas Schleicher bei der Vorstellung der Ergebnisse. Neu ist das nicht. Umso erschreckender: Schleicher sieht „keinerlei Verbesserung“ seit Pisa 2000.

Ein Fünftel der getesteten 15-Jährigen haben einen Migrationshintergrund. Sie schneiden in allen drei Bereichen – in Mathematik, im Lesen und in den Naturwissenschaften – deutlich schlechter ab als ihre deutschen AltersgenossInnen. Die Schule scheint dabei für sie keine Unterstützung zu sein, sondern eher ein Hindernis. Die Ergebnisse der Jugendlichen, die in Deutschland geboren sind, sind noch schlechter als die der SchülerInnen, die selbst eingewandert sind. „Deutschland schafft es nicht, die Potenziale dieser Kinder zu nutzen“, sagte Schleicher.

Die türkischen Jugendlichen, die größte Migrantengruppe hierzulande, erreichen im Testschwerpunkt Mathematik durchschnittlich 411 Punkte. Damit sind sie deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt, der bei 503 Punkten liegt. Der Unterschied entspricht dem Lernzuwachs von mehr als zwei Schuljahren. Die Jugendlichen aus der ehemaligen Sowjetunion erreichen 466 Punkte. Über die Hälfte der türkischen Jugendlichen und ein Drittel der Einwandererkids aus der Sowjetunion erreichen bestenfalls die Kompetenzstufe I – und gehören damit nach Pisa-Kriterien zur Risikogruppe.

Das heißt: Diese Jugendlichen können nur auf Grundschulniveau rechnen und selbst einfache Texte kaum verstehen. Ein Scheitern im Berufsleben ist so gut wie vorprogrammiert. Ähnliches war bereits bei Pisa 2000 für die Lesekompetenz festgestellt worden.

Die Ursache für das schlechte Abschneiden der Einwandererkids sehen die Pisa-Forscher in dem sozialen Hintergrund der Migrantenfamilien, in mangelnden Deutschkenntnissen – und auch im hiesigen Bildungssystem. Denn anders als hierzulande schneiden etwa in Österreich und der Schweiz Jugendliche mit ähnlicher Migrationsgeschichte und vergleichbarem sozialem Hintergrund deutlich besser ab. „Diese Jugendlichen finden offensichtlich in Deutschland ungünstigere Bedingungen für ihre Kompetenzentwicklung vor“, heißt es im Bericht der deutschen Pisa-Forscher. Dies zu verbessern sei eine „wichtige Herausforderung für die Zukunft“.

SABINE AM ORDE