PISA 2 wirft die KMK nicht aus der Bahn

Bildungssenator Willi Lemke (SPD) glaubt nicht daran, dass es nach der Wiederholung des PISA-Desasters zu einer bundeseinheitlichen Bildungspolitik kommt. Entscheidend sei aber nicht das Schulsystem, sondern das Lernklima

Bremen taz ■ Am Montag haben die deutschen Kultusminister in Berlin die PISA-Ergebnisse beraten. Während Kritiker die Auflösung der Kultusministerkonferenz (KMK) fordern, sehen die Minister sich auf dem richtigen Wege.

taz: Nach PISA 2 sagen rundherum alle Experten: Der Bund muss die volle Kompetenz in Bildungsfragen erhalten, damit in Deutschland endlich einheitliche Standards gelten. Bereitet die KMK ihre Auflösung vor?

Willi Lemke, SPD-Bildungssenator: Natürlich nicht. Im Gegenteil. Wir haben ein Reformpaket beschlossen. Die KMK wird schlanker, Ausschüsse werden zusammengelegt, Verschlankung auch des Personals in Berlin und in Bonn …

Das bedeutet: Der Bürokratie-Vorwurf war nicht falsch.

Wie in jeder Behörde, die lange nicht auf den Prüfstand gekommen ist, gibt es ein Einsparpotential. Wir haben zehn Prozent Einsparung beschlossen, der KMK-Generalsekretär hat erklärt, wir kriegen das hin. Das ist einem der Länder, Niedersachsen, nicht genug gewesen. Aber die KMK wird definitiv nicht abgeschafft.

Austreten will Christian Wulff auch nicht mehr?

Nein.

Warum wird die Bildungskompetenz nicht dem Bund zugeschlagen? Wäre das nicht sinnvoll?

Das lassen die Länder nicht zu. Bildungsfragen sollen Ländersache bleiben. Wir sind in der Lage, verbindliche Bildungsstandards gemeinsam zu entwickeln. Dafür brauchen wir den Bund nicht.

In der Ganztagsschul-Diskussion haben die Länder doch den Bund gebraucht. Berlin musste die Bildungsminister sogar mit Geld bestechen.

Ich habe das ausdrücklich begrüßt, dass der Bund uns da unterstützt. Die CDU-regierten Länder haben das zum Teil skeptisch gesehen.

Die Koalitionsverhandlungen nach dem letzten Wahlausgang haben für Bremen entschieden, dass es hier keine sechsjährige Grundschule, sondern Trennung nach der fünften Klasse gibt. Ist der Vorgang nicht ein Argument dafür, solche Strukturfragen in Bundeskompetenz einheitlich zu entscheiden?

Ich glaube, dass Bildung Länderkompetenz bleiben wird. Richtig ist: Man darf mit der Bildungspolitik nicht so umspringen, dass je nach Wahlausgang das Schulsystem so oder so umgekrempelt wird.

In der bildungspolitischen Diskussion, die durch PISA 2 wieder hochkocht, sind sich die Experten einig in ihrer Kritik am gegliederten deutschen Schulsystem.

Die Auswertung der PISA-Ergebnisse ergibt, das sagt der Mister PISA von 2003, Manfred Prenzel vom Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel: Es gibt weder Belege für die Argumentation der bayerischen Kultusministerin noch Belege für die Argumentation der GEW-Vorsitzenden. Man kann aus den PISA-Ergebnissen nicht ableiten, ob das gegliederte Schulsystem richtig oder falsch ist. Die Niederlande haben ein exzellentes Ergebnis bekommen, sie haben auch eine hohe Emigrantenquote und ein klar gegliedertes Schulsystem nach der 6. Klasse. In Finnland gibt es eine Migrationsquote von 1,9 Prozent, bei uns von 30 Prozent.

Wenn die Lernkultur entscheidend ist, das Unterrichtsklima, die Motivation, dann müsste man doch jedes Lehrerkollegium mal ein Wochenende mit einem Supervisor aufs Land schicken…

Meinen Sie, dass ein Wochenende reichen würde?

Wäre das nicht gut ausgegebenes Geld?

Wir haben den Schulen Fortbildungsetats gegeben. In diesem Rahmen könnte jede Schule so etwas machen. Das hielte ich für absolut vernünftig.

Eines der bei diesen PISA-Ergebnissen identifizierten Problemkinder sind die Hauptschüler. Bremen hat, anders als Niedersachsen, Haupt- und Realschulklassen weitgehend integriert. Wann erwarten Sie Ergebnisse dieser Strukturreform?

Die haben jetzt in der 5. Klasse angefangen. Also in fünf Jahren.

Dann sind Sie nicht mehr Bildungssenator.

(scherzend) Für mich selber hoffe ich das wirklich. Das ist kein witziger Job.

Interview: kawe