„Low Cost ist kein Schrott“

Billigflieger sind ökologisch eine Katastrophe, ökonomisch der Renner. Im Interview erklärt Niki Lauda, wie eine Billig-Airline funktioniert. Niki Luftfahrt bedient mit Air Berlin den Low-Cost-Markt. Der Flughafen Wien ist ein lukratives Tor zum Osten

INTERVIEW EDITH KRESTA

taz: Herr Lauda, trotz Ihres Debakels mit der Lauda Air scheint Sie das Fliegen nicht loszulassen.

Niki Lauda: Ich fliege immer noch selber. Und vor allem: Ich bin Pragmatiker. Ich schaue nicht zurück.

Sie haben nach der Übernahme Ihrer Lauda Air durch die etablierte Austrian Airlines nun Niki Luftfahrt gegründet. Was ist das wichtigste Kriterium bei einer Billig-Airline?

Der ganze Wasserkopf einer Airline, der Overhead, muss reduziert werden. Bei vielen Airlines läuft der Verkauf über Reisebüros, und das bedeutet natürlich einen riesigen Aufwand. Seitdem es das Internet gibt, hat sich einiges geändert auf diesem Gebiet. Das heißt: Nun kann man die Tickets auch ohne hohe Kosten über das Internet kaufen. Der Weg über das Reisebüro ist dagegen langwieriger und teuer. Die Airline bekommt nun den Verkaufserlös sofort und nicht erst in sechs Wochen – das ist natürlich ein Riesenvorteil. Natürlich verkauft Niki Luftfahrt auch über Reisebüros. Und unsere Reisebüros bekommen Fixprovisionen, egal ob ein Flug 29 oder 170 Euro kostet. Die Höhe dieser Fixprovision richtet sich nach der Streckenlänge.

Zahlt es sich bei Niki Luftfahrt nach so kurzer Zeit schon aus?

Bei mir hat sich das im ersten Jahr schon gelohnt. Schauen Sie sich die Ryanair an. Die ist an der Börse notiert und hat in den letzten Jahren jeweils zwischen 80 und 120 Millionen US-Dollar verdient. Der springende Punkt ist immer die eigene Kostenstruktur. Wenn ich mir den Internetvertrieb als NIKI mit meinen fünf Airbussen, die ich im Moment habe, selbst hätte aufbauen müssen, wäre das eine große Investition gewesen. Ich habe mir überlegt: Wie spare ich diese hohe Investition? Deshalb habe ich mit Air Berlin eine Low-Cost-Allianz gegründet.

Was heißt das?

Bislang sind Low Cost Airlines immer gegeneinander geflogen. Airlines gehen letztlich an der Konkurrenz zugrunde. Für den Passagier ist der Wettbewerb allerdings gut, weil jeder Mitbewerber versucht, den anderen zu unterbieten. Langfristig werden so nur ein paar große Billig-Airlines übrig bleiben.

In Deutschland hat sich Air Berlin auf diesem Gebiet durchgesetzt. Sie operiert mit 45 Flugzeugen im Low-Cost-Bereich aus Deutschland heraus und ist einer der erfolgreichsten Carrier in Europa. Die Allianz mit Air Berlin ist für mich attraktiv. Unser Konzept ist folgendermaßen: Ich kann das ganze Vertriebsnetz der Air Berlin nutzen und habe damit gleichzeitig 24 Prozent von meiner eigenen Airline an Air Berlin verkauft. Ich habe mich dem Air-Berlin-Konzept angeschlossen und damit den eigenen und teuren Internetaufbau und den eigenen Vertriebsapparat gespart.

Sparen Sie auch an Personal?

Ich beschäftige in Wien 20 Leute. Die anderen 130 Mitarbeiter sind Piloten und Flugbegleiter. Der Overhead, der bei anderen Airlines relativ viel kostet, ist bei mir beschränkt. Das reduziert natürlich die Kosten für meine Flieger.

Für Ihre Niki Luftfahrt haben Sie die Aero Lloyd Österreich übernommen. Auch deren Verträge?

Die Aero Lloyd hatte einen reinen Charterbetrieb. Mit dem Konkursverwalter hatte ich vereinbart, dass ich die Charterverträge, das waren damals 50 Millionen Euro, übernehmen könnte. Sonst wäre ein Start im Winter nicht möglich gewesen.

Und dann sind Sie ganz schnell ins Low-Cost-Geschäft eingestiegen?

Ja, durch die Zusammenarbeit mit der Air Berlin. Das funktioniert so: Air Berlin hat unter anderem einen Hub, also ein Drehkreuz, in Palma de Mallorca: Die Maschinen fliegen wöchentlich 250-mal nach Palma. Da landen dann bis zu zwanzig Air-Berlin-Maschinen innerhalb von etwa 45 Minuten auf dem Flughafen auf Mallorca. Die Passagiere verlassen dann die Maschinen entweder mit Ziel Mallorca oder mit einem anderen Ziel in Spanien und steigen kurze Zeit später um. Dieselben Maschinen werden also wieder benutzt, um zahlreiche Städte in Spanien anzufliegen.

Air Berlin deckt Domestikstrecken nach Valencia, Alicante, Madrid etc. ab, die auch viele Spanier nutzen. Wir haben angefangen, das Gleiche von Wien aus zu machen. Wir fliegen jetzt mit einem Airbus, der 210 Sitzplätze hat, sechsmal die Woche nach Palma in das Drehkreuz der Air Berlin. Dieser Flug hatte schon nach zwei Monaten 92 Prozent Auslastung. Weil wir nicht nur Palma als Bade- und Urlaubsdestination anbieten, sondern eben mit Air Berlin gemeinsam als Low-Fare-Allianz ganz Spanien abdecken.

Warum hat sich denn Air Berlin mit Ihnen zusammengetan?

Wien ist das Tor zu Osteuropa. Schon nach wenigen Betriebsmonaten haben wir angefangen, wie Air Berlin einen City Shuttle zu entwickeln, also Flüge in andere interessante europäische Metropolen anzubieten, zum Beispiel: nach Zürich, nach Rom, Warschau und nach London. Das Ganze haben wir in relativ kurzer Zeit aufbauen können.

Wie funktioniert ein Low-Cost-Konzept? Wer kann wirklich für 29 Euro fliegen?

29 Euro sind der Türöffner. Das heißt, ich will Passagiere auf meine Flugzeuge bringen, um ihnen mein Produkt vorzustellen. Wenn ich bald am ersten November meine Strecke von Wien nach London eröffne, dann ist dieser Flug schon seit August im Internet buchbar. Je näher das Abflugdatum rückt, umso höher wird der Preis. Die Steigerung liegt je nach Nachfrage zwischen 10 und 15 Euro. Die Logik braucht man nicht lange zu erklären: Ein Flieger, der nur mit Plätzen für 29 Euro besetzt ist, bringt kein Geld. Aber der Durchschnittspreis, den wir erzielen müssen, wenn wir von A nach B fliegen, beträgt 75 Euro. Der ist entscheidend. Nach Palma, die Strecke dauert ja länger als ein Flug im City-Shuttle-Netz, sind es zum Beispiel 95 Euro. Der Einstiegspreis liegt bei 29 Euro. Je näher aber der Abflugtag rückt, umso teurer wird das Flugticket. Einen Tag vor dem Abflug kann ein Flug auch schon mal bis zu 160 oder 170 Euro für die einfache Strecke kosten. Aus dieser Mischung zwischen günstigen und teureren Tickets erhält man einen Durchschnittspreis. Wenn dieser sich dann bei 75 Euro pro Flugstunde einpendelt, hat man verdient.

29 Euro sind also dem Marketing geschuldet?

Natürlich ist der Preis ein Kriterium. Viele Passagiere kommen nur, wenn der Preis niedrig ist. Wenn ich sie für 29 Euro in einem Airbus fliegen lasse, der nicht älter als drei Jahre ist, Ledersessel hat, ihnen an Bord kostenlos Essen, Softdrinks und Zeitungen serviere, dann fragt sich der Gast doch, warum er mit der Swiss nach Zürich fliegen soll zu einem viel höheren Preis. Der springende Punkt ist: Ich biete Flüge mit einem Rundumservice an Bord, das machen andere nicht. Viele Passagiere, die zum ersten Mal mit uns fliegen, wundern sich darüber. Denn der Gast bekommt bei uns mindestens so viel Service wie bei mach etablierter Airline, wenn nicht sogar mehr. Und das zu einem weitaus günstigeren Preis. So bleiben die Passagiere gerne bei uns.

Es geht also um Preis und Qualität, und das möglichst massenhaft?

Low Cost fliegen heißt nicht, Schrott zu fliegen, sondern Low Cost heißt, dass wir mit niedrigen Kosten arbeiten. Gespart wird nie an der Sicherheit und auch nicht am Kunden. Wir arbeiten schnell und sind flexibel. Ich kann mir sozusagen live im Internet die Kosten meiner Fluglinie anschauen und dann sofort reagieren. In dem Moment, wo zum Beispiel das Kerosin teurer wird, muss ich als Unternehmer handeln. Nur so, ohne großen Verwaltungsaufwand, kann ich die Vorteile an meine Kunden weitergeben. So haben es die Low-Cost-Carrier durch ihre günstige Angeboten vielen Menschen ermöglicht, öfter zu fliegen als bisher.