Warten aufs Adolfhitler

Neonazis wollen an Heiligabend in Recklinghausen aufmarschieren. Anwohner sammeln Unterschriften für ein Verbot der Veranstaltung. Rechte suchen inzwischen nach neuen Strategien

VON HOLGER PAULER

Die Nazis feiern ihre „Deutsche Weihnacht“ – am Freitag in Recklinghausen. Rechte Gruppierungen um den „WiderstandDO“ und die „Kameradschaft Dortmund“ rufen an Heiligabend zu einem Aufmarsch in die Recklinghäuser Innenstadt. Vorwand ist die polizeiliche Auflösung eines Neonazi-Konzerts am 13. November dieses Jahres. Auf dem Konzert sollten einschlägige Bands wie „Berserker“, „Kategorie C“ oder „Outlaw“ auftreten. Drahtzieher der Veranstaltung war der mehrfach vorbestrafte Chef der „Kameradschaft Dortmund“, „SS-Sigi“ Siegfried Borchardt. Gegen die so bezeichnete „Polizeiwillkür“ hatten die Rechten bereits an vier voran gegangenen Samstagen demonstriert – mit mäßigem Erfolg. Die Teilnehmerzahl schwankte zwischen 50 und 70.

Das „Bürgerforum Nord“ fordert jetzt ein Verbot der Aufmärsche. Oberbürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) wurde gestern eine Liste mit knapp 3.000 Unterschriften übergeben – mit der Forderung, alle politischen und juristischen Möglichkeiten eines Verbots auszuloten. Bislang vergebens. „Wir sind an höchstrichterliche Urteile gebunden“, sagte ein Sprecher der Polizei Recklinghausen, „da der Heiligabend kein gesetzlicher Feiertag ist, fällt auch diese Möglichkeit aus.“ Außerdem wolle man den Rechten durch ein verlorenes Gerichtsurteil „keinen Grund zum Feiern geben“.

Von offizieller Stelle wird versucht, den Naziaufmarsch möglichst zu ignorieren. Vertreter der Stadt sagten sogar kürzlich ihre Teilnahme an einer Gegenkundgebung ab. Die Begründung: Dies sei nicht das richtige Mittel. „Bürgermeister und Landrat hatten zugesagt, auf der Kundgebung zu reden, plötzlich machten sie aber einen Rückzieher“, sagt Arno Appelhoff vom Bürgerforum Nord. „Unsere Bestrebungen werden permanent boykottiert.“ Auch das städtische „Bündnis gegen Rechts“, in dem Parteien und öffentliche Institutionen zusammen geschlossen sind, möchte sich nicht an den Gegenkundgebungen beteiligen. Die Mitglieder ziehen eine Mahnwache vor.

Ob diese Art des Protests den Kern der rechten Aktionen trifft, bleibt zumindest fraglich. Spätestens seit den Erfolgen rechter Parteien bei den Landtagswahlen im Saarland und in Sachsen versuchen die Rechten auch im Ruhrgebiet, durch permanente Straßenpräsenz Fuß zu fassen. Dabei wird auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen „Freien Kameradschaften“ und der NPD ins Auge gefasst. Christian Worch, einer der Ideologen der militanten Neonazi-Szene, hat sich kürzlich in einem offenen Brief für eine lose „Zusammenarbeit“ mit der NPD ausgesprochen. Alte Abgrenzungsbeschlüsse der NPD gegenüber der militanten Neonazi-Szene seien durch den neu gewählten Vorstand um Altnazi Udo Voigt nicht mehr gültig. Man wolle sehen, ob die „Welle der Euphorie“ auf der sich die Nazis sehen, anhalte. „Die haben momentan das Gefühl, als stehe im nächsten Jahr die Machtergreifung bevor“, sagt Martin Dietzsch, Rechtsextremismusexperte des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Ein Grund dafür sei auch das gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD.

Ein Gradmesser für die tatsächliche Stimmung im Land dürfte die NRW-Landtagswahl im Mai 2005 sein, bei der die NPD im Bündnis mit der rechtsextremen DVU antreten will. Ein anderer Gradmesser bleibt der Erfolg bei den Aufmärschen. Und zumindest hier scheinen die Rechten zumindest im Ruhrgebiet nicht wirklich Fuß fassen zu können. „Uns ist aufgefallen, dass Kameraden, für die wir eigentlich auf die Straße gegangen sind, nämlich die Konzertgänger, nur spärlich vertreten sind“, beurteilt Neonazi Siegfried Borchardt die jüngsten Aktionen. Bleibt zu hoffen, dass er sein Urteil nicht revidieren muss.