Stipe Mesić hofft auf seine Wiederwahl

Am Sonntag wählen 4,3 Millionen Kroaten einen neuen Präsidenten. Der Amtsinhaber, der das Land aus der Isolation geführt und der EU angenähert hat, ist Favorit. Doch im Falle eines zweiten Wahlgangs könnte es noch einmal spannend werden

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Am Sonntag ist die kroatische Bevölkerung aufgerufen, einen neuen Staatschef zu wählen. Nimmt man die letzten Umfragen zum Maßstab, wird der neue Präsident auch der alte sein. Der von einem Mitte-links-Bündnis getragene parteilose 70-jährige Stipe Mesić liegt mit mehr als 45 Prozent der Stimmen in allen Landesteilen weit vorn.

Doch noch hoffen die Gegenkandidaten, dass der populäre Bartträger die absolute Mehrheit verfehlen und ein zweiter Wahlgang nötig wird. Vor allem die Kandidatin der regierenden konservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), Jadranka Kosor (51), rechnet sich aus, bei einer Stichwahl dem Amtsinhaber näher auf den Pelz zu rücken. Die für die ehemalige Journalistin und stellvertretende Premierministerin im ersten Wahlgang prognostizierten 17 bis 24 Prozent wären nicht nur eine persönliche Niederlage, sondern auch eine Schlappe für Premierminister Ivo Sanader. So setzte die Regierungspartei in den letzten Tagen alles daran, den bisher eher langweiligen Wahlkampf zu dramatisieren.

Kosor fiel es lange Zeit schwer, Profil gegenüber Mesić zu gewinnen. Denn seit die HDZ auf die Linie Mesić’ eingeschwenkt ist, mit dem Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates ernst zu machen und Kroatien auf die Integration in die Europäische Union vorzubereiten, fehlen die Reibungspunkte. Dass es der Regierung Ende November gelungen ist, die EU zur Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt Kroatiens zu bewegen, hatte kaum Wirkung auf die Wähler. Denn die Öffentlichkeit weiß sehr wohl, dass es der im Januar 2000 erstmals gewählte Mesić war, der mit seiner Politik die Isolation Kroatiens beendet hatte. Und auch die kürzlich stattgefundene Reise Sanaders zum ehemaligen Kriegsgegner in Belgrad brachte kaum Punkte ein. Denn Mesić war es schon in den Jahren zuvor gelungen, bei den Nachbarländer Serbien, Slowenien sowie Bosnien und Herzegowina überzeugend für seine Friedenspolitik zu werben und die Weichen für die Reintegration der 1995 geflohenen Serben in Kroatien zu stellen.

Daher verschärfte die HDZ ihren Wahlkampf. Die für Behinderte und Kriegsopfer engagierte Kosor lehnte eine Fernsehdiskussion mit Mesić ab, weil dieser sie angeblich beleidigt habe. Angesichts des aufwändigen Wahlkampfs der Gegnerin, deren Plakate überall zu sehen sind, hatte Mesić gewitzelt, beim Anschneiden einer Pastete fürchte er, Kosor werde aus der Füllung springen. Außerdem stellte die Kandidatin sich plötzlich auf die Seite der Umweltschützer, die den Bau einer Pipeline aus Russland zum Adriahafen Rijeka verhindern wollen. Das Projekt brächte mehr Nachteile als Vorteile, der Tourismus würde gestört, Umweltkatastrophen würden das Meer verseuchen, erklärte sie. Dass jedoch die Alternative, der italienische Hafen Triest, nur wenige Kilometer entfernt liegt und bei einer Änderung der Planungen Kroatien Milliardenbeträge zugunsten Italiens und Sloweniens verloren gingen, musste selbst Regierungschef Sanader einräumen.

Der Schuss ging also nach hinten los. So bleibt Kosor nur zu hoffen, eine niedrige Wahlbeteiligung werde ihr angesichts des reibungslos funktionierenden Apparates der HDZ zugute kommen. Und sie setzt darauf, dass bei einer Stichwahl die Stimmen, die im ersten Wahlgang auf die 12 anderen Kandidaten entfallen, ihr zugute kommen. Die meisten dieser Kandidaten stammen aus dem konservativen bis rechtsradikalen Lager. Einige der Exdiplomaten, Generäle, Fußballtrainer und Exilkroaten könnten im ersten Wahlgang immerhin zwischen 2 bis 6 Prozent der Stimmen erhalten.