Billige Klamotten um jeden Preis

Zum Jahreswechsel fallen die Importquoten für Textilien. Vor allem aus China kommen dann viele günstige BHs und Jeans in die Läden. Für Sozial- und Umweltstandards sind das schlechte Aussichten

AUS BERLIN ANNETTE JENSEN

Eines ist sicher: Billige Textilien aus China werden ab 2005 den Weltmarkt erobern. Offen ist nur noch, wie schnell das gehen wird. Morgen läuft jedenfalls das Welttextilabkommen aus. Das hat bislang den Absatz von BHs, Jeans und Kinderstrümpfen aus vielen Ländern durch Höchstmengen begrenzt.

Künftig müssen die Einkäufer der großen Konzerne keine Rücksicht mehr auf solche Quoten nehmen. Und auch für die Hersteller entfallen die Kosten, die sie bisher für den Kauf eines Anteils an der jeweiligen nationalen Quote einplanen mussten. So wird im weltweiten Wettbewerb fast uneingeschränkt das Motto gelten: Wer am billigsten und schnellsten produziert, bekommt den Zuschlag. Das sind keine guten Aussichten für internationale Sozial- und Umweltstandards.

Außerdem gehen Experten davon aus, dass von den gegenwärtig etwa 160 Lieferländern nur ein Viertel bis ein Drittel die Produktion aufrechterhalten kann. Vergeblich hatten Länder wie Bangladesch, für die Textilien und Kleidung fast die einzigen industriellen Exportgüter sind, Ende November bei der Welthandelsorganisation WTO um eine Verlängerung des Welttextilabkommens gebettelt. Doch China, Indien und Pakistan machten sofort klar, dass sie das nicht zulassen würden.

Sogar eine WTO-Studie über die Folgen der Quotenabschaffung, die mehrere Länder beantragt hatten, konnten sie verhindern. WTO-Chef Supachai Panitchpakdi rang sich zwar ein paar bedauernde Worte ab, verwies die Antragsteller dann aber an Weltbank und Internationalen Währungsfonds. Diese seien geeignetere Partner für Länder, in denen es nach dem Auslaufen des Welttextilabkommens zu sozialen Verwerfungen komme.

Chinesische Firmen sind dagegen sehr gut auf das Jahr 2005 vorbereitet. Sie haben neue Technik eingekauft und können sämtliche Verarbeitungsschritte selbst übernehmen. Zudem trumpfen sie mit fast unschlagbar niedrigen Löhnen und gewerkschaftsfreien Zonen auf. Einer aktuellen Umfrage bei 205 chinesischen Textilfirmen zufolge rechnen sie mehrheitlich damit, im ersten Halbjahr 2005 ihren Absatz um 20 Prozent zu steigern. Fast alle planen im kommenden Jahr einen weiteren Ausbau ihrer Kapazitäten.

So richten sich die letzten Hoffnungen vieler Länder auf USA. Erst in diesem Herbst reisten Regierungsvertreter von Nepal, Bangladesch, Sri Lanka und Kambodscha nach Washington, weil sie in letzter Minute bilaterale Vorzugsverträge ergattern wollten. Zwar ließen die USA sie abblitzen. Dafür kündigte die amerikanische Regierung aber immerhin an, auf bestimmte chinesische Importe so genannte Safeguards erheben zu wollen. Und das wiederum käme einer befristeten Verlängerung der Quoten gleich.

Die chinesische Regierung reagierte prompt mit einer Warnung: „Wenn die USA die WTO- Regeln missachten sollten, wird die chinesische Regierung notfalls entsprechende Maßnahmen bei der WTO beantragen.“ Die EU versucht dagegen auf die sanfte Tour, die chinesischen Importe zu begrenzen. Der neue EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso empfahl dem chinesischen Premier, beim Export von Textilien eine gewisse „Zurückhaltung“ zu üben. Darüber hinaus hat die EU zum Beispiel Bangladesch einige Vorteile eingeräumt, damit die Textilien von dort nicht sofort vom europäischen Markt gefegt werden.

Derweil gerät die Regierung in Peking von mehreren Seiten unter Druck, den Yuan aufzuwerten. Bislang ist die chinesische Währung an den Dollar gekoppelt. Deshalb sind die Exporte aus China in den Euroraum derzeit sehr billig. Der Yuan gilt als 40-prozentig unterbewertet.

Doch selbst wenn es zu einer Währungsanpassung kommen sollte, wird das die Erfolge der chinesischen Textilwirtschaft allenfalls leicht mindern. Ihre Konkurrenzvorteile erscheinen einfach als zu groß.