Kampf ums Eigenheim

Das linke Wohnprojekt Yorck 59 ist von Räumung bedroht. Mieter und Vermieter stehen sich unversöhnlich gegenüber und kämpfen mit harten Bandagen. Baustadtrat Schulz will runden Tisch

VON JAN ROSENKRANZ

Das sind die Zutaten für einen echten Kreuzberger Klassiker: In der roten Ecke das traditionsreiche linke Wohnprojekt Yorck 59, in der blauen Ecke ein Hamburger Unternehmensberater und dessen Hausverwalter. Die einen wollen, dass alles bleibt, wie es ist, und das Haus am liebsten selber kaufen. Die anderen wollten erst mehr Miete und nun die Räumung. Ring frei. – Doch leider liegen die Dinge komplizierter und wie so oft im Detail versteckt.

60 Menschen wohnen zum Teil seit 15 Jahren in acht WGs im Hinterhaus der Yorckstraße 59 – ein Fabrikgebäude aus rotem, altem Backstein. 60 Menschen, die alle Untermietverträge mit dem Hausverein „Färbung e.V.“ haben, der wiederum einen Gewerbemietvertrag besitzt. Oder besser: besaß. Denn der Vertrag ist Ende September ausgelaufen und man konnte sich nicht auf einen neuen einigen. Natürlich ging es um die Miete.

Dem neuen Eigentümer Marc Walter, der das Haus im Dezember 2003 per Zwangsversteigerung gekauft hatte, waren 2,39 Euro kalt für einen von 27.000 gemieteten Quadratmetern ein bisschen wenig. Also schlug er 100 Prozent drauf und nannte es Angebot. So geht das bei Gewerbemietverträgen.

„Das können wir einfach nicht bezahlen“, sagt Katja Krüger vom Vorstand des Färbung e.V. Auch die 56-prozentige Erhöhung, die ein Gutachter im Rahmen des vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens für ortsüblich und angemessen befand, seien nicht drin. Seitdem tobt der Häuserkampf – vor Gericht, in Treppenhäusern und Briefkästen. „Die wollen uns hier einfach raushaben“, sagt Katja Krüger. „Herr Walter hat keine Lust, sich hier faktisch enteignen zu lassen“, sagt Gregor Marweld, der das Haus inzwischen verwaltet. Die Bewohner des Hinterhauses sagen: „terrorisiert“.

Es sei doch sehr merkwürdig, sagt Krüger, wieso seitdem Fahrradreifen zerstochen, Telefonleitungen zerschnitten und Briefkästen aufgebrochen wurden. Marweld sagt, er habe damit nichts zu tun. Er wirft den Bewohnern ihrerseits vor, ihn zu terrorisieren. Man habe ihm „Scheiße und Fischstäbchen“ in den Briefkasten geworfen, das Treppenhaus seines Büros besprayt, den Hausflur von Verwandten demoliert und stets die Botschaft „Yorck 59 bleibt!“ hinterlassen. Inzwischen stünden sowohl er als auch Walter unter Staatsschutz. „Die Polizei hat mir das mitgeteilt, ich habe nicht darum gebeten.“

Langsam mache er sich aber ernsthaft Sorgen. Auf seinen Namen wurden zahlreiche Zeitungsabos abgeschlossen, Diverses aus dem Otto-Katalog bestellt und sinnlose Annoncen zum Verkauf von Elvis-Sammlungen und Laptops für 50 Euro geschaltet. Dem Eigentümer erging es nicht besser. Jemand hatte in seinem Namen per Lastschrift 2.000 Euro an die Grünen gespendet, „obwohl Herr Walter dieses politisches Spektrum nicht vertritt.“

Weihnachten kam es zur Eskalation. Marweld hatte in einer „Nacht- und Nebel-Aktion“ die zweite und dritte Etage, in der sich Büro und Veranstaltungsräume befinden, kurzerhand zugemauert. Und als die Bewohner die Mauer eingerissen hatten, stand Marweld kurz nach Weihnachten mit einem angeblich neuen Mieter, einem Malermeister, vor den Türen. Er verschaffte sich mit Hilfe der Polizei Zugang zu den Räumen und tauschte dann die Schlösser aus.

Am Dienstag haben sich die Bewohner die Etagen zurückerobert. „Das nehmen wir nicht hin“, sagt Frank Möller von der Antirassistischen Initiative (ARI), die hier ihr Büro hat. „Die skrupellosen und skandalösen Machenschaften der Hausverwaltung behindern und verhindern unsere Arbeit.“ Auch Bewohnerin Katja Krüger ist sauer: „Hier leben Menschen seit vielen Jahren – für eine Räumung bräuchte es Urteile, Titel und so weiter. So einfach geht das nicht.“

Wenn es nach den Bewohnern gegangen wäre, hätten sie das Haus längst gekauft – vor einem Jahr, als das Haus zwangsversteigert wurde. Doch ihr Angebot, das sie in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Mietshäusersyndikat gemacht hatten, war zu spät gekommen. Es gelte aber nach wie vor.

Unterstützung könnte es vom Bezirk geben. Bereits im vorigen Jahr hat das Bezirksparlament beschlossen, die „Vielfalt unterschiedlicher Lebenskulturen und Lebensweisen“ erhalten zu wollen. Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) sagte aber auch, sie hätte sich mehr Entgegenkommen der Hausbewohner gewünscht. Baustadtrat Franz Schulz (Grüne), der sich schon früher um Vermittlung bemüht hatte, ist dennoch erschrocken über die Eskalation. In einem Gespräch mit Bewohnern, das gestern stattfand, sagte er, er werde sich darum bemühen, noch einmal alle an den runden Tisch zu rufen. Am ehesten könne er sich vorstellen, dass der Eigentümer dem Verein das Hinterhaus verkauft. „Es wäre sehr schädlich, wenn er Verhandlungen von vornherein ablehnen würde“, so Schulz. Über die Modalitäten müssten sich beide Seiten dann freilich alleine einigen.