Mit der Sonne an die Spitze

Erstmals wurden 2004 in Deutschland die weltweit meisten Solaranlagen installiert. Die Hersteller sind bis 2006 ausverkauft. Dennoch wird das Umfeld komplizierter

BERLIN taz ■ Auf dem Gelände des ehemaligen AKW Lubmin in Vorpommern wird jetzt Solarstrom erzeugt. Im Dezember gingen am einstigen Kühlwasserkanal 11.000 Solarmodule ans Netz. Die Betreiberfirma BP Solar will jetzt zudem Module auf dem Dach des atomaren Zwischenlagers montieren.

Eine Investition von geradezu symbolhaftem Charakter: Erstmals wurden im vergangenen Jahr in Deutschland die weltweit meisten Solarmodule installiert. Dank des Erneuerbaren Energien-Gesetzes – seit August in Kraft – hat die solare Wirtschaft hierzulande Steigerungsraten erzielt, die im Wirtschaftsjahr 2004 ihresgleichen suchen. Der Umsatz der deutschen Solarbranche stieg um 60 Prozent auf mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Angaben der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft e. V. lag der Absatz bei 300 Megawatt – 130 Prozent über dem Vorjahresniveau. In Japan, jahrzehntelang unangefochten die Nummer eins, wurden 2004 etwa 280 Megawatt installiert, auf Platz drei der Photovoltaik-Weltrangliste folgt die USA mit 90 Megawatt.

Tatsächlich explodierte im Sommer die Nachfrage nach Modulen, die Hersteller kamen binnen kürzester Zeit an den Rand ihrer Lieferfähigkeiten. Die sechs größten deutschen Hersteller von Solarzellen bauten ihre Kapazitäten deutlich aus. Allerdings bewegen sie sich in einem – perspektivisch – komplizierten Umfeld. Seit der Mark attraktiv geworden ist, steigen auch klassische Energiekonzerne wie Shell oder RWE ein, entweder direkt oder über Töchter.

Dazu kommt Konkurrenz aus dem Ausland. Die japanische Sharp zum Beispiel eröffnete im Juli dieses Jahres im walisischen Wrexham die größte Solarfabrik Europas. Immer mehr ausländische Unternehmen investieren auch in Deutschland. So baut etwa die australische CSG Solar AG seit Jahresanfang für 40 Millionen Euro ein neues Solarzellenwerk im so genannten Chemiedreieck von Sachsen-Anhalt.

In Wolfen soll erstmals ein neuartiges Verfahren großtechnisch zum Einsatz kommen, bei dem das auf dem Weltmarkt knappen Beschichtungsmaterials Silizium um das Dreihundertfache verringert – und trotzdem eine höhere Stromausbeute erzielt wird. Entwickelt hat das so genannte Dünnschichtverfahren Martin Green, Träger des Alternativen Nobelpreises.

Trotz wachsender Konkurrenz und rasanter technischer Erneuerung dürfen die Produzenten auch 2005 auf traumhafte Ergebnisse hoffen. „Die Hersteller sind bis 2006 praktisch ausverkauft“, sagt Patrick Hummel, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. „Die im Inlandsgeschäft erworbene Vorreiterrolle ist eine ideales Sprungbrett für die Erschließung weltweiter Exportmärkte“, urteilt zudem Carsten Körnig, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft UVS.

Mit 400 Megawatt wird für 2005 wiederum ein Wachstum von rund 30 Prozent prognostiziert. Aktuell sind 5.000 Menschen in der Branche beschäftigt, die UVS schätzt das Potenzial auf 30.000 Beschäftigte.

NICK REIMER