Rosa im Boden und auf der Brust

Bis Ende 2006 will der Künstler Hans Haacke 100 Zitate von Rosa Luxemburg in den Platz vor der Volksbühne einlassen. Zweitplatzierte im Denkzeichenwettbewerb hoffen auf Kapital für Rosa-Label

VON JAN ROSENKRANZ

Rosa Luxemburg war keine dereinst hochverehrte und nun schon lange tote Schauspielerin. Das sei vorab klargestellt. Noch sei es zwar nicht so weit, dass die Menschen das denken, aber werweiß, eines Tages? Hans Haacke hält diese Gefahr jedenfalls keineswegs für abwegig. Schon jetzt gebe es junge Menschen, die mit dem Namen nichts mehr anzufangen wüssten.

So schlimm wird es nicht kommen. Spätestens ab Ende 2006 wird ein Denkzeichen des deutsch-amerikanischen Künstlers Haacke auf, am und um den Rosa-Luxemburg-Platz an die 1919 ermordete Kommunistin, Revolutionärin und Gründerin der KPD erinnern. Eine von der Kulturverwaltung eingesetzte Jury hatte sich am Dienstag aus 22 eingereichten Entwürfen für Haackes „in den Raum geworfenes Textwerk“ entschieden, das wie „Schnittwunden“ den Platz übersät (taz berichtete).

Haacke will 100 Zitate – „zur Not gingen auch weniger“ – aus Artikeln, Reden und privaten Briefen Luxemburgs in Messingschrift verewigen. Mit den 260.000 Euro, die die Kulturverwaltung lockermacht, sollen rund um den Platz vor der Volksbühne bis zu sieben Meter lange Betonstreifen in Gehwege und Fahrbahnen eingelassen werden. Luxemburg sei in manchen Kreisen als Galionsfigur – positiv wie negativ – noch sehr lebendig, darum durfte es keine „landläufige Lobhudelei“ werden, sagte Haacke, der extra aus New York angereist war und sein Konzept gestern selbst vorstellte.

Neben ihrem berühmten Zitat über die Freiheit der anders Denkenden sollen auch Aussprüche dokumentiert werden, die Luxemburgs gespaltenes Verhältnis zu Demokratie und Revolution ausdrücken – und ihre Zweifel: „Der herrschende ‚Marxismus‘ fürchtet leider jeden Gedankenflug wie ein alter Gichtonkel.“ Auch die private Kämpferin soll gezeigt werden: „Es stimmt, ich habe verfluchte Lust, glücklich zu sein, und bin bereit, Tag für Tag um mein Portiönchen Glück mit dumpfem Eigensinn zu feilschen.“

Wenn Interessierte sich dann über den Platz lesen, befinden sie sich „plötzlich mitten in der kontroversen Gedankenwelt Luxemburgs“, so Haake. Die sei teils ebenso sperrig wie ihre Sprache. Beides soll dazu animieren – Haake nennt es einen Auftrag –, sich mit der Geschichte zu befassen, mit den Zerwürfnissen in der Arbeiterbewegung – „damals wie heute“. So habe er den Begriff „Denkzeichen“ verstanden.

Nach dem Willen der Auslober sollte es genau das werden – eben kein Denkmal im engeren Sinne, erst Recht keine bloße Plastik, wie der Kunsthistoriker Hans-Ernst Mittig, der der Jury vorsaß, sagte. Damit lag auch der zweite Platz im Wettbewerb ganz auf dieser Linie – wenngleich es sich dabei um einen „in jeder Hinsicht alternativen Entwurf“ handelte, wie Mittig betonte.

Unter dem Namen „Rosa de luxe“ wollten der in Berlin lebende Künstler Miguel Rothschild und die Literaturwissenschaftlerin Maria Cecilia Barbetta zur Wiederbelebung Luxemburgs ein Label gründen – und Lizenzen an interessierte Textilfirmen vergeben. „Für uns ist wichtig, dass die Zitate nicht nur an einem Platz bleiben, sondern durch die Stadt getragen werden“, sagte die aus Buenos Aires stammende Maria Barbetta. Ähnlich wie das berühmte Che-Guevara-Foto hätte dann ein Konterfei Luxemburgs ein Merchandisingfieber auslösen sollen. Die Idee sei entstanden, als sie in Luxemburgs Briefen aus dem Gefängnis den Satz „Ich bin für Luxus in jeder Gestalt“ fanden. Zudem habe die Revolutionärin ein regelrechtes Faible für Modeaccessoires gehabt.

Der Verein, der die Lizenzen vergeben sollte, hätte 90 Prozent der Einnahmen für Kampagnen ausgegeben – zur Anregung, sich mit den Ideen und Idealen Luxemburgs zu befassen. Auch Guerilla-Marketingattacken waren geplant. So sollten etwa in Supermärkten Quarkpackungen mit dem Luxemburg-Zitat „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark“ beklebt werden. Die übrigen 10 Prozent der Lizenzeinnahmen wären einem Verein zur Unterstützung straffälliger Frauen zugute gekommen.

Hätte, wären, sollten – Rothschild und Barbetta würden ihr Konzept nach wie vor gern umsetzen. Doch den Zweitplatzierten mangelt es nun am nötigen Startkapital. Vielleicht hat Adrienne Göhler, die als Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds in der Jury saß und zu den Befürwortern von „Rosa de luxe“ gehörte, ja noch Geld in ihrem Topf. Es kann ja nicht schaden, sich auf mehreren Wegen Rosa Luxemburg zu nähern – bevor sie für eine tote Schauspielerin gehalten wird.