Öl & Korruption

Äquatorialguinea, einst die einzige spanische Kolonie im tropischen Afrika (Gesamtfläche: 28.051 Quadratkilometer) besteht aus drei Teilen: einem rechteckigen, hauptsächlich mit Urwald bewachsenen Stück Festland (früher Rio Muni) zwischen den viel größeren Nachbarländern Gabun und Kamerun; der Insel Bioko (früher Fernando Poo) mit der Hauptstadt Malabo vor der kamerunischen Küste, und der winzigen Insel Annobon weit draußen im Atlantik, die 1470 als portugiesische Siedlung die erste europäische Kolonie in Afrika wurde. Bioko war im 19. Jahrhundert ein Zentrum des Sklavenhandels; zahlreiche Zwangsarbeiter aus anderen Ländern Westafrikas wurden auf die Kakaoplantagen der Insel verschleppt. Malabo hieß in der Kolonialzeit Santa Isabel.

Seit 1968 ist Äquatorialguinea unabhängig. Der erste Präsident, Macías Nguema, einer der übelsten Diktatoren Afrikas, orientierte seine Politik am zairischen Amtskollegen Mobutu und trieb von den damals 300.000 Einwohnern zehntausende ins Exil. 1979 wurde er von seinem Neffen Teodoro Obiang Nguema in einem von Spanien unterstützen Putsch entmachtet.

Obiang erklärte sich zum Modernisierer des Landes, schränkte aber die Macht seiner Familie nicht ein, auch nicht nach dem Ende des Einparteiensystems 1991. Regelmäßig gibt es Putschversuche, und Wahlen gewinnt immer die Regierungspartei, unter teils massiven Manipulationsvorwürfen; 2002 erhielt Obiang 97 Prozent der Stimmen. Die wichtigsten Oppositionellen bleiben im Exil.

Seit 1992 wird in den Territorialgewässern des Landes Öl gefördert, und inzwischen ist Äquatorialguinea hinter Nigeria und Angola der drittgrößte Ölproduzent Afrikas südlich der Sahara: zirka 500.000 Barrel pro Tag im Jahr 2004 (Nigeria: 2 Millionen Barrel). Alle Länder im afrikanischen Golf von Guinea – Nigeria, Kamerun, Äquatorialguinea, São Tomé, Gabun, Kongo-Brazzaville, Demokratische Republik Kongo und Angola – setzen mittlerweile auf Erdöl als Devisenbringer und weiten ihre Förderung aus. Für die USA insbesondere ist das westafrikanische Öl eine sichere Alternative zu dem aus dem Nahen Osten. Auch Tschad und Sudan exportieren immer mehr Öl, und neuerdings wurde Öl auch in Mauretanien und Niger entdeckt.

Äquatorialguinea erlebte durch das Öl in den letzten Jahren einen in Afrika beispiellosen Wirtschaftsboom: Das Bruttosozialprodukt hat sich in zehn Jahren verdreißigfacht, das Wirtschaftswachstum erreichte 2001 den Weltrekord von 62,5 Prozent, das statistische Pro-Kopf-Einkommen wuchs seit 1995 von unter 500 auf ca. 6.000 US-Dollar. Drei US-Ölfirmen – Exxon, Amerada Hess und Marathon Oil – kontrollieren den Großteil der Ölförderung Äquatorialguineas. Inzwischen drängen immer mehr Firmen aus Frankreich, Spanien, China und anderen Ländern auf den Markt. Auch die Erdgasvorkommen in den Ölkonzessionen werden wichtiger.

Aber noch immer leben zwei Drittel der äquatorialguineischen Bevölkerung – nach der letzten Volkszählung offiziell 1.014.999 Einwohner – in Armut. Es gibt selbst in den Städten kaum Strom und fließendes Wasser, außer in den Villenvierteln der Regierenden und Ölangestellten. Die Korruption ist gigantisch. Die wichtigsten Schaltstellen in Politik und Wirtschaft kontrollieren Angehörige der Familie Obiang. Aber die Ölindustrie auf der Insel Bioko zieht freiwillige westafrikanische Immigranten an, so wie in früheren Generationen Sklaven für die Kakaoplantagen.

Seit dem 7. März 2004 ist Äquatorialguinea in den Schlagzeilen: Damals verhafteten die Behörden eine Putschistentruppe unter Anführung des ehemaligen südafrikanischen Elitesoldaten Nick Du Toit; eine weitere Truppe unter dem britischen Söldnerführer Simon Mann wurde zeitgleich auf dem Flughafen von Simbabwes Hauptstadt Harare bei der Zwischenlandung gestoppt und festgesetzt. Die beiden Anführer und eine Reihe ihrer Anhänger wurden inzwischen zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die äquatorialguineischen Behörden vermuten hinter dem Putschversuch die in Spanien lebende Exilopposition, finanziert von schillernden britischen Geschäftsleuten wie Mark Thatcher im Auftrag internationaler Ölinteressen. D.J.