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: Sind so arme Säue

Endlich sind Frank Schirrmacher und „Der Spiegel“ nicht mehr allein: Jetzt darf der Mann auch in anderen Medien in die Opferrolle schlüpfen.

Zwischen die Berichterstattung über die Naturgewalt in Südostasien und das menschliche Krawumm am armen Mosi hat die Judikative ein Thema gedrängt: nämlich ihr Urteil zu heimlichen Vaterschaftstests. Ein Urteil, das zu Recht viele Diskussionen nach sich zieht und in dessen Fahrwasser endlich gesellschaftliche Themen auf den Tisch kommen wie Kindererziehung, Verantwortung, emotionale Bindung, Vaterrolle.

Der Spiegel, der schon vor Jahren das „Opfer Mann“ ausgemacht hat, und seinen Vorbläser Matthias Matussek immer dann richtig kommen lässt, wenn es darum geht, sich von Frauen betrogen, hintergangen und emotional wie monetär ausgenutzt zu fühlen, hat Gesellschaft bekommen. Schräg durch die Medienlande ist nun von den „armen Vätern“ die Rede, von „Männern ohne Rechte“. Sehr engagiert sind die Fernsehmagazine. Sie graben unermüdlich Herren aus, denen Kinder untergeschoben wurden, die emotional brechen, weil der geliebte Spross nicht von ihnen ist, die alles gegeben haben und nun ganz ohne dastehen. Wobei es für den voyeuristischen Zuschauer nicht selten viel interessanter wäre, etwas über die Beziehung erfahren, als Manfred M. jammern zu sehen, dem man das eigene Blag nicht einmal für fünf Minuten anvertrauen würde. Um eine These auf den Punkt zu bringen: Männer leiden, geführt von ihrem Vorsitzenden Frank Schirrmacher, bereits jetzt unter dem herannahenden Machtverlust ihrer Spezies, der als Folge einer besseren Ausbildung, größerer Sozialkompetenz und dem höherem Engagement von Frauen folgen wird.

Die Ausschlachtung des sicherlich streitbaren Urteils ist auch der Versuch, dem Machtverlust etwas entgegenzusetzen. Notgedrungen geht es dieses Mal ohne Hubraumangaben und Längenvergleich. Die emotionale Schiene muss bemüht werden, und auf einmal ist die Kraftmaschine Mann auch nur ein Mensch. Dass das Römische Reich auch nicht innerhalb eines Tages untergegangen ist, daran erinnert diese Woche die Zeit. Ausgerechnet das Ressort mit dem programmatischen Titel „Leben“ kommt ohne eine einzige Hauptdarstellerin aus. 11 Seiten Männerwelt, ohne auch nur ein einziges Frauchen irgendwo untergebracht zu haben. Kein Inhalt, kein Foto, nichts. Statt dessen arme Väter, Torhüter, Kämpfer, Moshammer. Männer erklären Küche und Auto und Helmut Dietl seine Schlafstörungen. Wahrscheinlich ist den Leben-Menschen das „einfach so passiert“ und weniger der Versuch, Terrain zurückzugewinnen. Hier würde man auch nicht leben wollen. Dieses – journalistische – Terrain ist Ödland.

SILKE BURMESTER