„Da war er scheu“

Weiterreden und sich ein Steak machen: Ein Gespräch mit Christiane Kubrick, der Witwe von Stanley Kubrick, über seine Lust auf Familie, seine Freundschaft mit Schauspielern und Mitarbeitern – und über ihren Versuch, das Gerücht zu korrigieren, ihr Mann sei ein Ungeheuer gewesen

taz: Frau Kubrick, Sie und Ihr Mann haben sich 1957 bei den Dreharbeiten zu seinem Film „Wege zum Ruhm“ kennen gelernt. Warum haben Sie nach dem Film, in dem Sie eine deutsche Kriegsgefangene spielen, die Schauspielerei aufgegeben?

Christiane Kubrick: Ich wollte immer gerne Maler werden und bin in einer Theaterfamilie aufgewachsen. Aber damals war es sehr schwer für Frauen, Maler zu werden. Mein Vater hatte Angst, dass ich ganz in die Modezeichnung rutsche oder in einer Porzellanfabrik lande. Ich konnte nicht leicht widersprechen, wollte aber versuchen, in Filme reinzurutschen, um Geld zu verdienen und doch noch Malerei machen zu können. Schließlich habe ich meinen Mann getroffen und in Kalifornien Kunst studiert. Deswegen habe ich es gar nicht schwer gefunden, das alles aufzugeben.

Wie sah Ihre Mitarbeit bei Filmen für Stanley Kubrick aus? In „Eyes Wide Shut“ haben Sie die Bilder für die Wohnung des Ehepaars gemalt.

Ich habe auch für „Uhrwerk Orange“ ein paar Bilder gemacht. Aber eigentlich haben wir nebeneinanderher gearbeitet. Ich an meinem Kram, er an seinem.

War es schwierig, neben einem Regisseur zu arbeiten und zu leben, der schon zu Lebzeiten eine Legende war?

Wir hatten beide vorher schlechte Ehen gehabt und waren immer vorsichtig, dass das nicht wieder passiert. Dass er immer bekannter wurde, darauf war ich eher stolz. Dennoch läuft man nicht herum und denkt dauernd: „Mein Mann, das Genie.“

Alle hielten Kubrick immer für einen Familienmenschen, weil er so zurückgezogen lebte.

Ja, wirklich. Ich hatte Glück. Mein Mann fühlte sich auch im Chaos wohl, das kleine Kinder produzieren, konnte darin arbeiten und sich konzentrieren. Es hat ihn nicht gestört. Er hatte gern ein großes Haus, einen Garten, viele Tiere, viele Kinder, viel Besuch. Das war ihm lieber als die großen Partys. Da war er scheu.

Und war er auch mit den Schauspielern, mit seinen Mitarbeitern befreundet? Malcolm McDowell, der den Alex aus „Clockwork Orange“ spielt, soll sehr enttäuscht gewesen sein, als sich Kubrick nach dem Film so distanzierte.

Die beiden mochten sich sehr gern, McDowell war am Anfang seiner Karriere und hatte sich vorgestellt, dass diese intensive Verbindung fortbesteht. Das tun alle Schauspieler. Es ist ja etwas ganz Unnatürliches, dass man so eng miteinander arbeitet – und danach sieht man sich plötzlich nicht mehr. Das führt oft zu Kränkungen. Die waren aber gar nicht beabsichtigt. Stanley war nur inzwischen mit einem anderen Film beschäftigt. McDowell hat das dann verstanden. Manchmal nahm Stanley aber auch die Menschen, mit denen er gearbeitet hat, mit nach Hause, und wir haben zusammen Abendbrot gegessen. Das lag daran, dass er nicht aufhören wollte, über sein Thema zu sprechen. Stanley hat jeden Film mit großer Leidenschaft gemacht, und wenn es abends vorbei war und er wollte noch weiterreden, sagte er: „Komm, ich mach dir ein Steak.“

Ändert diese Ausstellung etwas am Bild, das wir von Stanley Kubrick haben?

Ich habe mich immer gefragt, was Stanley aussuchen würde, damit es persönlich, aber nicht indiskret, nicht zu kitschig wird – das hätte er nicht gewollt. Ich hoffe sehr, dass mit der Ausstellung die unglückseligen Hetzgeschichten der englischen Presse weggewischt werden: dass er ein Ungeheuer war, scheußliche Manieren hatte, auf Leute schoss – der Wahnsinnsunsinn, mit dem sich die Presse rächte, weil er wenig Interviews gab. Er wollte seine Reklame ganz genau kontrollieren, dass die Filme präzise beworben werden und nicht mit einem nervösen Geschwätz, was einem eben bei einem Interview so einfällt – wie mir jetzt. Unsere ganze Familie und ich machen das nur, damit wir diese Geschichten korrigieren können, und weil ich glaube, dass Stanley auf eine Ausstellung wie diese stolz wäre. Wenn es sich um einen anderen Regisseur handeln würde, den er mochte, er wäre in eine Ausstellung wie diese gegangen. Jeder will wissen, wie der andere Kuchen backt. INTERVIEW:
CHRISTIANE BREITHAUPT