WIE SICH MINISTER CLEMENT 6,5 MILLIONEN ARBEITSLOSE ERKLÄRT
: Fordern, nicht fördern

Wenn die Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, beginnt stets das gleiche Spiel. Die Opposition beschuldigt die Regierung, die Regierung verweist auf die Zukunft, die dank ihres wegweisenden Reformwerkes besser wird. So ist es auch mit der ersten Post-Hartz-IV-Zahl von über fünf Millionen.

Doch zwei Dinge sind anders, beide haben wir Wirtschaftsminister Clement zu verdanken. Zuerst, dass es tatsächlich 6,5 Millionen Arbeitslose gibt, weil man, so Clement, subventionierte Beschäftigung und den Vorruhestand mitzählen muss. – Dass ein deutscher Wirtschaftsminister eine annähernd realistische Arbeitslosenzahl in den Mund nimmt, ist eine echte Neuigkeit.

Noch aufschlussreicher ist indes die Formulierung, mit der Clement diese Zahl präsentierte: „Wir haben 6,5 Millionen Menschen mit teilweise dramatischen Problemen am Arbeitsmarkt.“ Folgen wir dieser Deutung, so ist nicht der Arbeitsmarkt das Problem – viele Arbeitslose und wenig Stellen –, nein, das Problem sind 6,5 Millionen Menschen, die mit diesem Markt leider nicht zurechtkommen. Interessant ist auch die rhetorische Figur des „wir“ – darunter darf man sich den Minister vorstellen, der stellvertretend für uns, die normale Mehrheit, spricht – und auf der anderen Seite jene 6,5 Millionen Problemfälle.

Dieser Satz hat den Vorteil der Deutlichkeit. Er macht klar, was der ernst gemeinte Teil in dem Slogan „Fördern und Fordern“ ist. Die Förder-Versuche sind, vom Jobfloater bis zur Ich-AG, allesamt gescheitert. Nun wird richtig gefordert und reformiert. Die Reformen, sagt Regierungsberater Rürup, sind nicht am Ende, sondern am Anfang.

Die SPD trudelt so in einen Konflikt. Schröder hat, nachdem er Hartz IV und die Talfahrt in den Umfragen überstanden hat, verstanden, dass die SPD-Basis über Hartz V nicht sehr amüsiert wäre, und eine Pause versprochen. Clement ist entschlossen, von den 6,5 Millionen Problemfällen noch mehr zu fordern. Es wird interessant zu sehen, wie die SPD nun gleichzeitig Reformen ankündigt und stoppt. Und wie sie diesen Konflikt bis zur NRW-Wahl unter der Decke hält. STEFAN REINECKE