Verfassungsschutz blickt durch

Was Antifa-Gruppen schon lange sagen, bestätigt nun Verfassungsschutz-Studie: Im Osten Berlins gibt es eine dumpfe Grundstimmung, die rechte Gewalt begünstigt. Rechte Szene drängt in die City

VON FELIX LEE

Selbstbewusster, aggressiver und offensiver – die Rechtsextremisten in Berlin befinden sich im Aufwind. Gestern stellte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eine Studie des Verfassungsschutzes über „Rechte Gewalt in Berlin“ vor. Deren Ergebnisse belegen, was Initiativen gegen rechts zwar schon lange wissen, von staatlicher Seite in dieser Form aber noch nicht bestätigt bekamen: In bestimmten Milieus gibt es eine „dumpfe Grundstimmung“, die rechte Gewalt begünstigt, so Körting.

Bisher beruhte die Bewertung rechter Gewalt vor allem auf der Gesamtzahl der polizeilich registrierten Straftaten. Und die stagnierte in den vergangenen Jahren, sie lag sogar weit unter der Zahl kurz nach der Wiedervereinigung. Gerade Opferinitiativen bemängelten, dass der allein auf die Straftäter gerichtete Blick nur wenig über das rechtsradikale Umfeld aussagt. Dies ist in der aktuellen Studie anders: Die Verfassungsschützer haben bei den 336 rechten Gewalttaten zwischen 1998 und 2003 nicht nur die überführten Täter unter die Lupe genommen, sondern auch die 865 Tatverdächtigen. Zudem bezogen sie neben den Tat- auch die Wohnorte, das soziale Umfeld und den familiären Hintergrund ein. So kann die umfassende Studie nicht nur über das Ausmaß rechter Gewalt in Berlin Auskunft geben, sondern über das rechte Milieu insgesamt.

Auffällig vor allem: Wo die Rechten wohnen, schlagen sie auch am häufigsten zu – im Ostteil der Stadt. Hier macht sich laut Studie das allgemein für Jugendgangs so typische „Revierdenken“ bemerkbar. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Gegenden wie Marzahn und Köpenick am Ostrand der Stadt. Die rechte Szene dehnt sich vielmehr immer weiter in Richtung Innenstadtbezirke aus. Übergriffe häufen sich entlang der Warschauer Straße in Friedrichshain und an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, wo sich Rechte immer häufiger treffen.

Bei den Tätern und Tatverdächtigen handelt es sich fast ausschließlich um junge Männer zwischen 15 und 24 Jahren. Sie sind „unterdurchschnittlich gebildet und überdurchschnittlich häufig arbeitslos“, so Claudia Schmid, Chefin des Berliner Verfassungsschutzes. 80 Prozent der Delikte seien spontane Körperverletzungen, die sich vor allem gegen Ausländer, zum geringeren Teil auch gegen linke Jugendliche richten. Das zeige, dass es den Tätern um einen „demonstrativen Charakter des Sich-mächtig-Zeigens“ gehe, so Körting. Dabei erwiesen sich die beobachteten Personen keineswegs als ideologisch gefestigt. Sie hätten nicht einmal direkten Kontakt zu führenden Kadern der Kameradschaften oder der NPD, so der Senator weiter. Dies mache Hoffnung, dass solche Jugendliche auch schnell wieder vom rechten Gedankengut abgebracht werden können.