Polizei verzichtet vorerst auf Schockpistole

Polizei versucht Verzweifelten mit Elektroschockpistole lahm zu legen. Doch die Waffe wirkt nicht und der Mann springt in den Tod. Polizeipräsident will auf weitere Einsätze des „Tasers“ verzichten, bis die Gründe des Versagens geklärt sind

Das Spezialeinsatzkommado der Polizei (SEK) darf den „Advanced Air Taser“, eine Elektroschockpistole, bis auf weiteres nicht mehr einsetzen. Mit dieser Entscheidung hat Polizeipräsident Dieter Glietsch auf den Suizid eines 28-jährigen gebürtigen Paraguayers reagiert, der sich am Samstag in Charlottenburg von einem Balkon im neunten Stock gestürzt hatte. Bevor der Mann zum Sprung in den Tod angesetzt hatte, hatte ihn ein SEK- Beamter mit der Elektroschockwaffe kampfunfähig zu machen versucht. Das Gerät hatte jedoch versagt.

Was sich auf dem Balkon und in der Wohnung genau abgespielt hat, versucht die Staatsanwaltschaft nun in einem Ermittlungsverfahren gegen den beteiligten Beamten zu klären. In seiner ersten Aussage habe sich der Beamte auf eine vermeintliche Notwehrsituation berufen, sagte Glietsch gestern bei einer Sitzung des parlamentarischen Innenausschusses. Die Polizisten hätten sich zunächst stundenlang bemüht, den auf der Balkonbrüstung sitzenden, mit einer Pistole herumfuchtelnden Robert R. von seinem Vorhaben abzubringen. Der Mann habe aber jegliches Gespräch verweigert. Erst nach Bemühungen seiner Schwester und Schwägerin sei er von der Brüstung geklettert und habe Anstalten gemacht, dem in der Wohnung befindlichen SEK-Beamten die Pistole auszuhändigen. Dass es sich um eine Schreckschusswaffe handelte, habe sich erst später herausgestellt. Als sich der Beamte näherte, habe R. die Waffe plötzlich gegen diesen gerichtet. Daher habe der Polizist den verdeckt getragenen Taser gezogen.

Dieser schießt normalerweise zwei kleine an robusten Drähten hängende Nadelpfeile auf den Angreifer. Die Widerhaken der Pfeile setzen sich in der Kleidung der Zielperson fest und senden Stromstöße von 1,5 Milliampere aus. Normalerweise lähmen die Impulse das zentrale Nervensystem, der Getroffene bricht zusammen. Nicht so diesmal. Nichts passierte. Der Beamte, der laut Glietsch einen Knall gehört haben will, drückte zum zweiten Mal ab. Obwohl er diesmal traf, sei R. zurück auf den Balkon gerannt und habe sich über die Brüstung gestürzt. Seine Angehörigen hätten den Sachverhalt allerdings anders geschildert, sagte Glietsch.

Möglicherweise funktionierte der Taser nicht, weil Robert R. mehrere Kleidungstücke übereinander trug, so der Polizeipräsident. Bis zur Klärung der Gründe für das Versagen wird das Gerät nicht mehr eingesetzt. Was die Zukunft angeht, ließ Glietsch aber keinen Zweifel daran, dass das SEK weiterhin über den Taser verfügen werde. Im Vergleich zur Schusswaffe handele es sich um das mildere Einsatzmittel.

Das SEK ist im Besitz von acht Tasern, die in den vergangenen vier Jahren fünfmal eingesetzt wurden. Viermal wurden damit Menschen mit Suizidabsichten gestoppt, einmal ein mit einem Messer auf Polizisten losgehender Mann. PLUTONIA PLARRE