EU vergrämt ihre Helfer

Die EU-Kommission will ihr Image verbessern. Dafür braucht sie eigentlich die Hilfe der Medien. Doch statt auf Info-Offensive setzt Kommissionspräsident Barroso lieber auf Abschottung

VON RUTH REICHSTEIN

„Die Kommission wird eine Strategie zur Verbesserung ihres Images in der Öffentlichkeit erarbeiten. Wir sind zu weit weg von den Bürgern.“ Welch Einsicht von Françoise le Bail, Chefsprecherin der EU-Kommission. Tatsächlich vertraut laut einer EU-weiten Erhebung des „Eurbarometer“ nur gut die Hälfte aller Unions-Bürger der Brüsseler Institution. Eine alarmierende Zahl – schließlich ist die Kommission die Behörde mit dem größten Einfluss sowohl auf die Tages- als auch die langfristige Politik, ihr Name verkürztes Synonym für die gesamte EU. Deshalb wäre eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung absolut nötig. Dass dafür aber auch etwas getan werden muss, scheint sogar bei den Betroffenen selbst angekommen zu sein: Im vergangenen November setzte Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Schwedin Margot Wallström als Kommissarin für „Kommunikationsstrategie“ ein. Bisher ist aber nichts von einem Sinneswandel zum Besseren zu spüren – im Gegenteil.

Immer mehr Journalisten beklagen sich über erschwerte Arbeitsbedingungen in Brüssel. Seit dem Umzug ins frisch renovierte Bürogebäude „Berlaymont“ sind die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft worden. Journalisten werden nun am Eingang durchleuchtet, ein Metalldetektor sucht nach Waffen. „Das Sicherheitsargument müssen wir – vor allem seit dem 11. September – akzeptieren, aber die Kommission übertreibt“, sagt Michael Stabenow, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Vorsitzender des Vereins der Auslandspresse in Belgien. „Die Journalisten dürfen nur noch einen einzigen Aufzug benutzen, der sie ausschließlich in die Büros der Pressesprecher bringt. Alle anderen Räume sind tabu.“

Für Jean Quatremaire von der französischen Tageszeitung Libération sind diese Neuregelungen mehr als bloße Schikane: „Die EU-Kommission vermittelt uns und den Bürgern die Botschaft: ‚Ihr stört hier!‘ Sie nimmt uns als Sicherheitsrisiko wahr und verschließt sich immer mehr.“ Das zeige sich auch auf den täglichen Pressekonferenz: „Die Sprecher verschanzen sich hinter Phrasen, und einen Termin mit einem Kommissar zu bekommen ist fast unmöglich.“ So wächst das Misstrauen zwischen Kommission und Journalisten von Tag zu Tag.

Mancher Korrespondent fühlt sich schon an die Affäre um den ehemaligen Stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack erinnert, dessen Büro im Frühling 2004 von der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf und der belgischen Polizei durchsucht worden war. Der Journalist war verdächtigt worden, Geld für Informationen gezahlt zu haben, die die Statistikbehörde Eurostat stark belastet haben. Tillack verklagte die EU-Kommission daraufhin auf Schadenersatz. Das Verfahren läuft noch.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, restriktive Informationspolitik – für die Journalisten ist das vor allem nervig, für die EU indes ein gefährliches Spiel. Schließlich sind die Korrespondenten oft die einzigen Vermittler zwischen Institutionen und Bürgern. Einige Journalisten kommen nun gar nicht mehr zu den Pressekonferenzen der Kommission und beziehen ihre Informationen etwa vom EU-Parlament. Dort machen sich einige Abgeordnete mittlerweile intensive Gedanken um eine bessere Informationspolitik – zum Beispiel Jean-Marie Cavada, Expräsident des öffentlich-rechtlichen „Radio France“. Er bewertet die neuen Sicherheitsvorkehrungen als kontraproduktiv für die ganze EU: „Natürlich können nicht alle Entscheidungsprozesse öffentlich ausgetragen werden. Aber wenn die Entscheidung gefallen ist, muss man sie als Erstes den Journalisten erklären. Sonst kommen die Informationen nie bei den Bürgern an.“