Gesetz gegen hässliche Bilder

Regierung will noch vor dem 8. Mai Demos an Mahnmalen und bei NS-Verherrlichung verbieten

VON CHRISTIAN RATH

Springerstiefel und Glatzen in Marschformation vor dem Holocaust-Mahnmal – solche Bilder will die Bundesregierung verhindern. Innenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries schlugen gestern Verschärfungen im Versammlungsgesetz und im Strafgesetzbuch vor, die noch vor dem 8. Mai, dem 60. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus, in Kraft treten sollen.

Schily will ins Versammlungsgesetz einen Passus einfügen, der Demoverbote an Orten ermöglicht, die „in eindeutiger Weise an die Opfer einer organisierten menschenunwürdigen Behandlung erinnern und als nationales Symbol für diese Behandlung anzusehen“ sind. Gemeint sind auf jeden Fall die nationalen Mahnmale für die ermordeten Juden und die ermordeten Sinti und Roma. Ob auch herausragende KZ-Gedenkstätten wie in Dachau dazugehören, muss noch entschieden werden. Eine Liste der besonders geschützten Orte soll von der Regierung mit Zustimmung des Bundesrats per Rechtsverordnung festgelegt werden. „Wenn mit jeder Ergänzung der Liste der Bundestag befasst werden müsste, wäre das zu aufwändig“, erklärte Schily.

Demonstrationen sollen an diesen Orten nicht generell verboten werden, sondern nur, wenn sie im Einzelfall „dazu bestimmt (sind), die menschenunwürdige Behandlung der Opfer zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen“. Antifaschistische und staatstragende Kundgebungen wären am Mahnmal also weiterhin erlaubt.

Diese Gesetzesänderung wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Das ansonsten sehr freiheitsfreundliche Bundesverfassungsgericht hat 2001 festgestellt, dass rechte Demonstrationen am Holocaust-Gedenktag (27. Januar) verboten werden können, weil sie dann gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Es wurde allgemein angenommen, dass auf diesem Wege auch ein räumliches Demoverbot am neuen Holocaust-Mahnmal begründet werden könnte. Schilys Liste würde aber zumindest Rechtssicherheit schaffen.

Einige Länder wollen freilich die Zahl der geschützten Orte ausweiten und diese vor allem selbst bestimmen. Die Union will außerdem den „befriedeten Bezirk“ um das Parlament bis zum Brandenburger Tor ausweiten. Schily nannte dies einen „diskussionswürdigen“ Vorschlag.

Praktisch wichtiger dürfte eine Änderung des Volksverhetzungsparagrafen im Strafgesetzbuch werden, die von Justizministerin Zypries erarbeitet wurde. Mit Haft bis zu drei Jahren muss demnach rechnen, „wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (…), die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost“. Bestraft würde nach Zypries’ Plänen, wer etwa die Zwangsarbeit im Dritten Reich gutheißt. Bisher wurde nur das Leugnen, Billigen oder Verharmlosen des Holocausts bestraft.

Auswirkungen hätte diese Änderung auch aufs Demonstrationsrecht. So könnte der jährliche Wunsiedel-Marsch unter der Losung „Gedenken an Rudolf Heß“ einfacher verhindert werden. Denn wenn bei einer Versammlung mit Straftaten zu rechnen ist, kann diese verboten werden. Zuletzt waren Wunsiedel-Verbote teilweise vom Verfassungsgericht aufgehoben worden.

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