Misshandelten auch Australier?

Zeugen widersprechen der Regierung in Canberra. Die hatte behauptet, Australier seien in Irak nicht an brutalen Verhören von Gefangenen beteiligt gewesen

Exgefangener sagt, er sei im Beisein australischer Offizieller gefoltert worden

CANBERRA taz ■ Wann ist ein Gespräch mit einem in Ketten gelegten Gefangenen eine einfache Befragung, wann ist sie ein brutales Verhör? Mit dieser Frage befassten sich diese Woche in Australien das Parlament und die Öffentlichkeit. Der Vorwurf, Australier hätten sich an den Verhören von irakischen Gefangenen beteiligt, kam am Montag von einem ehemaligen australischen Waffeninspektor.

Der Mikrobiologe Rod Barton, der im Auftrag Canberras in Irak an der Suche nach Massenvernichtungswaffen beteiligt gewesen war, behauptete, an „Verhören“ irakischer Wissenschaftler in einem Gefängnis bei Bagdad teilgenommen zu haben. Damit steht er in direktem Widerspruch zum australischen Verteidigungsminister Robert Hill. Denn der hatte im vergangenen Jahr dem Parlament versichert, Australier seien nicht an Verhören beteiligt. Der konservative Premierminister John Howard hatte ähnlich argumentiert, als er im letzten Jahr mit den inzwischen bekannten Bildern misshandelter gefangener Irakis konfrontiert worden war.

Doch entgegen seiner Gewohnheit, solchen potenziell schädigenden Debatten persönlich und aggressiv zu begegnen, will sich Howard in diesen Tagen der Kritik nicht selbst stellen. Er lässt seinen Verteidigungsminister sprechen, der verzweifelt versucht, Parlament und den Medien den Unterschied zwischen einem Verhör und einer Befragung zu erklären. Hill widersprach Barton, der argumentierte, ein „Interview“ zwischen einem Vernehmungsbeamten und einem „in Ketten gelegten Gefangenen“ sei wohl kaum ein normales, auf Freiwilligkeit basierendes Gespräch.

Diese Ansicht wird vom Verteidigungsexperten Alan Behm geteilt, der Hills Position als „pathetisch“ verurteilt. Barton trat schließlich von seinem Posten in Irak zurück, weil er befürchtete, die von ihm verhörten gefangenen irakischen Wissenschaftler würden gefoltert. Obwohl er seine Vermutung an das Verteidigungsministerium weitergeleitet hatte, unternahm Canberra nichts und hielt an der engen Zusammenarbeit mit Washington fest. Australien ist einer der wichtigsten US-Verbündeten im Irakkrieg.

Die Debatte ist für Premierminister Howard ein denkbar schlechter Start ins zehnte Regierungsjahr. Denn gleichzeitig mit Bartons Vorwürfen kommt die Meldung, ein nach drei Jahren aus dem US-Gefangenenlager in Guantanamo Bay auf Kuba entlassener Australier sei vor seiner Inhaftierung gefoltert worden.

Mamdouh Habib, ein in Sydney lebender Raumpfleger, war im Oktober 2001 in Pakistan festgenommen und über Ägypten nach Guantánamo gebracht worden. Dort hielten ihn die Vereinigten Staaten als mutmaßlichen Terroristen fest. Canberra versuchte zu keiner Zeit von Washington Habibs Rückführung nach Australien zu erwirken. Im Januar wurde er schließlich überraschend freigelassen, nachdem die US-Behörden aus Mangel an Beweisen gegen den Familienvater keine Strafanklage erheben wollten.

Seit seiner Rückkehr behauptet Habib, er sei in Ägypten gefoltert worden – in Anwesenheit australischer Offizieller. Dieser Vorwurf wird von Canberra heftig bestritten. Die Regierung versucht, Habib trotz seiner Freilassung als Terroristen zu porträtieren. Entsprechende Beweise legt sie allerdings nicht auf den Tisch.

Der Geheimdienst behauptet, Habib habe sich der Terrororganisation al-Qaida als eine Art „Söldner“ angeboten. Er will nun versuchen, die australische Regierung zu verklagen, um seinen Ruf wiederherzustellen. Nach wie vor in Guantanomo Bay befindet sich ein zweiter Australier, der in Südaustralien geborene David Hicks. URS WÄLTERLIN