Tschechiens Premierminister in Erklärungsnot

Regierungschef Stanislav Gross hat sich eine teure Wohnung gekauft und kann nicht erklären, woher er das Geld hat

PRAG taz ■ Tschechiens Premier Stanislav Gross hat Schulden. Und zwar so, dass er seine sozial-christdemokratische Koalitionsregierung prompt in eine Krise gestürzt hat. Die ohnehin wackelige Koalition, die auf eine Mehrheit von nur einer Stimme ruht, hat arge Kratzer erlitten. Eigentlich sind an allem die Journalisten schuld. War es doch die Tageszeitung Mlada Fronta Dnes, die vor geraumer Zeit auf ihrer Titelseite nachgefragt hat, woher Gross vor sechs Jahren Geld für den Erwerb einer Wohnung erhalten hat. Deren Preis liege mit 4,2 Millionen Kronen (140.000 Euro) nämlich über den finanziellen Möglichkeiten eines tschechischen Volksvertreters mit einem Monatsgehalt von rund 1.000 Euro.

Gross geriet ins Stottern. Also, ähem, einen Teil der Anzahlung habe er selbst zusammengespart, einen weiteren Teil habe ihm sein lieber Onkel geliehen. Genau 1,2 Millionen Kronen. Der Haken: Selbst der Onkel verfügte nicht über genug Cash, er habe sich das Geld für Gross auch geliehen, und zwar von Verwandten im Ausland.

Oder war es etwa ganz anders? Plötzlich und unerwartet erschien ein ehemaliger Journalist auf der Bühne des Grossgate-Theaters. Er habe dem Gross-Onkel das Geld geliehen. Aus reiner Menschenfreundlichkeit und weil die Tante von Gross ihn früher mal in der Schule unterrichtet hat. Beweise könne er aber keine vorlegen, weil er den Wechsel gar nicht mehr habe.

Je mehr Spekulationen, desto mehr Journalisten widmeten sich den Spuren von Gross und seiner Familie. Als ob die ungeklärte Finanzierung des Gross’schen Wohnungskaufs nicht schon brenzlig genug sei, hat eine andere Zeitung, das Wochenblatt Respekt, die Eigentumsverhältnisse von Premiersgattin Sarka Grossova untersucht. Und siehe da. Erst vor kurzem hat die Blondine mit Hang zum Unternehmertum eine Immobilie im Wert von 6 Millionen Kronen erworben. Sie wolle einen Luxuswohnkomplex errichten und habe dafür einen Kredit aufgenommen, erklärte Grossova. Für den Kredit garantierte eine langjährige Familienfreundin. Dass die nebenbei auch noch Wohnungen an Bordellbesitzer vermietet, ist nur ein pikantes Detail am Rande.

Die Presse veranstalte eine Hetzjagd auf ihn, beschwert sich nun Gross und kündigte an, die Mlada Fronta Dnes zu verklagen. Einige Genossen sprangen Gross sofort zur Seite: Man solle das Pressegesetz ändern, schließlich sei die ganze Affäre von jemandem initiiert, der dem Premier schaden wolle, heißt es im Gross-Lager. Eine Behauptung, die bislang genau so wenig bewiesen werden konnte wie die Herkunft des Wohnungskredits.

Inzwischen haben die Finanzen der Gross-Familie den Koalitionspartner erregt. Kaum war der Premier auf Staatsbesuch in Frankreich, forderte der Vorsitzende der Christdemokraten, Miroslav Kalousek, dessen Kopf. Nach zähen Verhandlungen am Mittwoch darf Gross erst einmal im Amt bleiben. Er müsse aber seine finanziellen Verpflichtungen offen legen und seine Schulden bezahlen. Seine Frau Sarka dürfe, solange Premiersgattin, nicht mehr unternehmerisch tätig sein.

Im Juni 2006 wird gewählt. Ob es Gross und seine Sozialdemokraten bis dahin an der Macht aushalten werden, bleibt fraglich, die Wiederwahl erscheint ausgeschlossen. Schon jetzt wird gefeixt, Gross sei nicht nur der jüngste Premier, den das Land je hatte, sondern werde auch der mit der kürzesten Amtszeit werden. ULRIKE BRAUN